„Jungbrunnen für das ZDF“

Mit Zukunftsthemen gegen Demografieprobleme: ZDF-Intendant Markus Schächter über das Zweite zwischen programmatischem Aufbruch und medienpolitischen Herausforderungen

Das ZDF hat für 2007 ehrgeizige Ziele. Das Programm schaut mit Projekten wie der Doku-Fiktion „2057“ in die Zukunft, auf der technischen Seite startet man mit der Mediathek im Internet ins Video-on-demand-Zeitalter.

taz: Herr Schächter, plötzlich beherrscht die Zukunft das ZDF. Und wo bleibt nun die Geschichte?

Markus Schächter: Das ist eine ganz bewusste Entscheidung: Wir wollen zusätzlich zur historischen Benchmark, die wir gesetzt haben, zeigen, was das ZDF im Dokumentationsmarkt noch alles leisten kann. Dass es jetzt um die Zukunft geht, ist logisch – in einer Wissens- und Informationsgesellschaft gehört das Nach-vorn-Denken mit dazu. Wir gehen ins Schaufenster mit einer ganz neuen Dokumentationsform und glauben, dass wir da auf einem sehr guten Kurs sind.

Das als „Kukident-Sender“ verspöttelte ZDF setzt also ganz auf Innovation?

Ach, das mit dem Kukident-Sender: Das Wort hat der ehemalige RTL-Chef Helmut Thoma geprägt. Was ist aus dem geworden? (lacht). Wir wissen selbst am besten, dass wir in der Demografie ein Problem haben. Wir hoffen auf eine Art Doppelschlag: Wir deklinieren wichtige Zukunftsthemen – und das könnte sich möglicherweise auch als Jungbrunnen für das ZDF insgesamt erweisen.

Das ZDF will ab Herbst in seiner Mediathek im Internet einen großen Teil seines Programms langfristig zum Download bereitstellen. Der Zuschauer wird so sein eigener Programmdirektor. Ihr Fernsehrat hat dem Projekt zugestimmt. Was aber sagt die Medienpolitik, vor allem die aus Brüssel, die solche neuen Angebot beim gebührenfinanzierten Rundfunk stets mit Argwohn sieht?

Die Medienpolitik schreibt ja nur den gesetzlichen Rahmen vor. Die Ermächtigung zu einem solchen weiteren Angebot wie der Mediathek steht dem Fernsehrat zu. Und wenn ich Brüssel verstehe, soll das auch so bleiben. Richtig ist: Es gab von der EU-Kommission Absichten hin zu mehr staatlicher Einflussnahme bei solchen neuen Akzentuierungen des ZDF-Angebots. Aber das haben die zuständigen Bundesländer abgelehnt. Es wird jetzt in den Staatskanzleien darüber beraten, wie man den Nachweis führen kann, dass dies im Sinne des öffentlich-rechtlichen Programmauftrags ist – vergleichbar mit den „public value“- Verfahren bei der BBC, wo regelmäßig die Programmleistung unabhängig und auch vom Zuschauer überprüft werden soll. Das wird hier aber frühestens in den 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag einfließen, der jetzt für 2009 in Auftrag gegeben wird.

Bewegen Sie sich also bis 2009 im ungesicherten Gelände? Offiziell sind die Online-Ausgaben ja bei 0,75 Prozent der gesamten Gebühreneinnahmen gedeckelt. Aber ein Projekt wie die Mediathek dürfte doch wesentlichen mehr kosten.

Nein, das sind keine beträchtlichen zusätzlichen Kosten. Das sind eher Fragen einer klugen Vernetzung. Ins Geld ginge es nur, wenn wir in großem Rahmen Programm einstellen würden, bei dem wir nicht über alle Rechte verfügen. Bei unseren Eigenproduktionen stellt sich das Problem nicht, da werden keine Kostendeckel gesprengt.

Die EU hat die bisher bestehende Deckelung der Online-Ausgaben ohnehin aufgehoben. ARD und ZDF haben aber bislang per Selbstverpflichtung gelobt, Online nur mit angezogener Handbremse zu fahren. Ist die jetzt obsolet?

Wir müssen im Moment diese Thematik gar nicht aufmachen. Was wir bis zum Staatsvertrag 2009, der das umsetzen wird, machen, bleibt im Rahmen des 0,75-Prozent-Korridors. Insoweit werden wir keine Reizthemen aufbringen. Die Deckelung ist aus Brüssel expressis verbis aufgehoben.

Wo sehen Sie den schwierigsten Punkt beim kommenden Staatsvertrag 2009?

Wir hatten ein Kompromissangebot vorgelegt, das die volle Transparenz unserer Aktivitäten, auch unserer kommerziellen Töchter, garantiert. Die Forderung, die jetzt aus Brüssel kommt, heißt aber: Alle Marktaktivitäten müssen von den gebührenfinanzierten Programmaktivitäten getrennt werden. Das ZDF ist aber als zentrales Unternehmen aufgestellt: Bei uns sitzt beispielsweise die Werbezeitvermarktung mit im Haus. Da müssen wir uns neu aufstellen und brauchen eine Übergangsfrist, um vernünftige Lösungen zu finden.

2007 wird das Jahr der Medienpolitik: Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Rundfunkgebühr wird für März erwartet, die Bundesländer sollen das Gebührenverfahren in Gänze reformieren. Welche konkreten Forderungen hat da das ZDF?

Ich denke, es ist klug, jetzt erst mal das Urteil aus Karlsruhe abzuwarten. Und dann an die nicht gerade leichte Materie heranzugehen. Vor Karlsruhe zu spekulieren, heißt möglicherweise mit Zitronen zu handeln.

Trotzdem: Dass die heute noch gerätebezogene Gebühr passé ist, ist doch Konsens!

Bei uns werden derzeit verschiedene Varianten durchgerechnet. Ich habe für jede Lösung Sympathie, die sich so gut umsetzen lässt wie die heutige – und die genauso viel Geld bringt.

Seit der Verkündung der PC-Gebühr ist die Sympathie für den gebührenfinanzier- ten Rundfunk nicht eben gestiegen.

Das war eine richtig professionelle Antikampagne im Sommerloch: Da wurden astronomische Zahlen aufgetischt, was hier angeblich an Zusatzkosten auf Haushalte und vor allem Betriebe zukäme. Es gab auf der anderen Seite aber auch Kommunikationsfehler beim öffentlich-rechtlichen System: Ein professionelles Kommunikationssystem hat leider nicht professionell auf diese Herausforderung geantwortet.

INTERVIEW: STEFFEN GRIMBERG