: Stillstand und Aufbruch
KUNST AUS SÜDAFRIKA Die süße, zuckerstangenhafte Verlockung der Großstadt mit der Illusion des besseren Lebens. In der Reihe „Solo für …“ in der ifa-Galerie zeigt Moshekwa Langa die Installation „Der eifersüchtige Liebhaber“
■ In der Ausstellungsreihe „Solo für …“ werden Künstlerinnen und Künstler präsentiert, die auch schon mal am Beginn ihrer internationalen Karrieren in den ifa-Galerien in Berlin und Stuttgart ausgestellt haben.
■ Arbeiten von Moshekwa Langa waren so bereits in den 1990er Jahren zu sehen. Seine aktuelle Installation „Der eifersüchtige Liebhaber“ zeigt die ifa-Galerie Berlin bis 21. September. Lindenstr. 139, Di.–So. 14–18 Uhr.
VON KATRIN BETTINA MÜLLER
Es sind Bilder der Stille und des Stillstands, die Moshekwa Langa, ein in Südafrika aufgewachsener Künstler, im letzten Magazin der Kulturstiftung des Bundes, das sich afrikanischen Kunstthemen widmet, veröffentlicht hat. Die Farben der knapp zehn Jahre alten Fotografien sind gedämpft und matt, das Licht wird von staubigen Vorhängen draußen gehalten, der Blick fixiert Details, als sei er zu müde für mehr: Ein Schränkchen in einer Stubenecke, leere Plastikflaschen auf gestapelten Stühlen, ein wenig Blumendeko, zwei Wäschestücke auf einem zusammengeklappten Wäscheständer – niemand scheint hier über die Energie oder die Mittel für mehr zu verfügen.
Moshekwa Langa nahm diese Bilder 2004/2005 in Bakenberg auf, seinem Geburtsort; er selbst arbeitete da schon seit Ende der 90er Jahre als Künstler in Amsterdam und Johannesburg. Seine Fotografien aus Bakenberg, so schreibt Okwui Enwezor, Direktor des Hauses der Kunst in München, in einem begleitenden Text, „stellen das Spektaktel von Verlust und Unsichtbarkeit dar. Dies sind Orte und Landschaften, wo nichts mehr geschieht.“
Dass niemand dort bleiben will, „wo nichts mehr geschieht“, beschäftigt Moshekwa Langa in seiner aktuellen Ausstellung „Der eifersüchtige Liebhaber“ in der ifa-Galerie in der Reihe „Solo für …“. Eine gleichnamige Installation malt einen Zustand zwischen gespannter Erwartung, Vorfreude und dem Kater nach der Party aus. Große geringelte Stangen, wie Süßkram aus Zucker, ragen aus gestapelten Autoreifen; Bälle, Globen und Discokugeln liegen dazwischen, Krawatten, Gürtel und Hütchen sind überall verteilt.
Man vermag in dieser ausgestellten Fröhlichkeit nicht zu entscheiden, ob sich hier einer fürs Ausgehen aufbrezeln möchte oder schon enttäuscht den geliehenen Glamour in die Ecke gepfeffert hat.
Dem „Sog der Großstädte“ gilt diese Installation, schreibt Langa in einer Projektskizze im Katalog: „Sie vermitteln die Illusion eines besseren Lebens. Die Straßen scheinen mit Gold gepflastert zu sein – aber nur zu oft enden die Menschen in einem Sumpf aus Verwirrung, Zähneklappern und Traurigkeit.“ Es ist dieser Zwiespalt zwischen den Wünschen und den Erfahrungen, der den Stillstand all der Dinge, die in dieser Installation doch eigentlich nach Bewegung verlangen, so lähmend und traurig macht.
Von einer möglicherweise anderen Spur, von Hoffnung und Aufbruch, erzählt in Langas Ausstellung eine kleine vierminütige Videoinstallation, „Where do I begin“. Die Kamera zeigt eigentlich nur Beine, Rocksäume und die Schuhe von Mädchen, Frauen, Jungen und Männern, die langsam nach und nach in einen Bus steigen – und doch liegt in dieser Einstellung so viel Farbigkeit, Gelassenheit und Respekt, dass sich etwas wie die Anmutung von Schönheit einstellt.
Um einen Anfang geht es auch einer der vielen Collagen in der Ausstellung. „And so I began“ ist seiner Primary School gewidmet. Auf Farbinseln im Hintergrund sind schwarzweiße Kopien geklebt, von Skulpturen verschiedener afrikanischer Kulturen, von rituellen Haartrachten, manchmal aber auch von Rittern und Rüstungsträgern aus dem europäischen Mittelalter.
Was ihnen gemeinsam ist, ist der lange Weg der Überlieferung, Überschreibung, Interpretation und vielleicht auch Abnutzung, den sie bis zur Aneignung durch den Künstler durchlaufen haben. Darin gleichen sie den manchmal danebengestellten Pop-Ikonen. Diese Collagen voller Bezüge, in denen oft Textinseln voller Namen treiben, machen Beute im Gedächtnisspeicher. Warum dieses oder jenes darin treibt, ist nicht einfach zu entschlüsseln; wohl aber, dass das Nebeneinander ohne Hierarchien und ohne Wertungen auskommt.