Merkel für soziale Globalisierung

Die Kanzlerin fordert weltweit durchsetzbare Normen in der Welthandelsorganisation

BERLIN taz ■ Die Bundesregierung hat vor, sich stärker für die soziale Gestaltung der Globalisierung zu engagieren. Dabei will sie auch die Welthandelsorganisation (WTO) in die Pflicht nehmen. Ökologische und soziale Mindeststandards gehörten ins Regelwerk der WTO, forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf der Konferenz „Globalisierung fair gestalten“. Nur dort könnten die Standards auch eingeklagt werden. Die Veranstaltung ging gestern zu Ende.

Zu den wichtigsten Standards zählen die „Kernarbeitsnormen“ der Internationalen Arbeitsorganisation ILO. In diesen ist das Recht auf die Bildung von Gewerkschaften, die Beseitigung von Zwangs- und Kinderarbeit und das Verbot der Diskriminierung festgelegt. Sie werden zwar von den ILO-Mitgliedstaaten anerkannt, anders als die WTO hat die ILO aber keine Sanktionsmöglichkeiten.

Die Konferenz bildete den Auftakt für eine neue Offensive der Bundesregierung. Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) sagte, die große Koalition wolle ihre EU-Ratspräsidentschaft und den ebenfalls anstehenden G-8-Vorsitz nutzen, „die soziale Dimension der Globalisierung zum Thema zu machen“. Bundeskanzlerin Merkel sagte, Globalisierung werde nicht funktionieren, „wenn sich die Staaten nicht auf ein Minimum gemeinsamer Werte einigen können“. Die WTO sei eine mächtige Organisation. „Es wäre sehr gut, wenn wir hier auch die Mindeststandards unterbringen könnten.“

Der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Michael Sommer, nannte den Vorstoß „bemerkenswert“. „Die Messlatte für konkretes Handeln ist nun sehr hoch gelegt“, sagte er. Auf dem nächsten G-8-Treffen müssten „Nägel mit Köpfen“ gemacht werden.

Umstrittener als die Initiative für weltweite Mindeststandards war die Frage, ob Europa als Vorbild für eine „faire Globalisierung“ gelten könne. Der parlamentarische Arbeitsstaatssekretär Gerd Andres (SPD) sagte, die Lissabon-Strategie, mit der die EU bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt werden will, sei die „richtige Antwort auf die Anforderungen der Globalisierung“. Dagegen erklärte Sophie Boissard vom französischen Conseil d’État, Europa laufe Gefahr, „eine unregulierte Globalisierung zu beschleunigen“. Die Lissabon-Strategie setze zu wenig auf soziale Faktoren und lasse auch die Unterschiede zwischen den EU-Ländern außer Betracht. BEATE WILLMS