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Archiv-Artikel

In kleinen Schritten

Vor einem Jahr verletzte sich der Basketballer Matej Mamic schwer. Eine Querschnittslähmung drohte. Doch der Alba-Profi kämpfte und sprach von einem Comeback. Ist das noch immer möglich?

AUS BERLIN MARKUS VÖLKER

„No, no“, sagt Matej Mamic. Nein, nein, vom Comeback habe er sich noch nicht verabschiedet. Ja, ja, weniger zuversichtlich sei er schon, nicht mehr so prall voll mit Optimismus wie vor einigen Monaten. „Aber ich probiere es weiter. Der Unfall ist jetzt erst ein Jahr her, wie sollte ich da schon wieder Top-Basketball spielen können? Ich brauche Zeit.“ Wie viel, das weiß der verletzte Basketballer nicht. „Würde ich den genauen Zeitpunkt meiner Rückkehr aufs Parkett kennen, wäre ich ein glücklicher Mensch.“ Vor Jahresfrist, am 26. November, passierte der tragische Unfall.

Alba Berlin führt in der Bundesligapartie gegen TBB Trier siebeneinhalb Minuten vor dem Ende mit 66:64. Matej Mamic, Kapitän der Mannschaft, dribbelt mit dem Ball zum Korb, wird vom Trierer Nate Doornekamp fair geblockt und und geht zu Boden. Es sieht aus wie ein ganz normaler Sturz. Regungslos und ohne Gefühl in Armen und Beinen bleibt er fünf Minuten lang auf dem Parkett der Max-Schmeling-Halle liegen, umringt von Teamarzt, Sanitäter, Trainer und Spielern. Die Partie wird abgebrochen, der kroatische Nationalspieler per Rettungshubschrauber in die Intensivstation des Unfallkrankenhauses Berlin eingeliefert.

In der Klinik diagnostizieren die Ärzte eine vollständige Querschnittslähmung; das Rückenmark des heute 31-Jährigen ist schwer geprellt, ein Hämatom drückt auf Nervenbahnen. Die Lähmung bildet sich dank einer medikamentösen Behandlung unter Leitung des Klinikchefs Professor Walter Schaffartzik langsam zurück. Mamic beginnt sofort mit Rehaübungen, kann bald Arme und Beine wieder bewegen und kämpft um sein Comeback. Psychologische Hilfe brauchte der Kroate nur in der ersten Woche nach dem folgenschweren Fall, danach richtete er sich aus eigener Kraft auf – schafft den enormen Willensakt.

Mamic wollte schon in diesem Herbst wieder in der Berliner Mannschaft stehen, zum Leistungsträger werden – wie in alten Tagen. Doch so rasant es am Anfang voranging, so sehr er seinem Körper den Fortschritt verordnete, desto langsamer läuft es jetzt. Nur mühsam geht es vorwärts. Vor allem die linke Körperseite macht Mamic zu schaffen. Er verbringt nach wie vor viel Zeit in der Rehabilitation, geht zu jedem Alba-Heimspiel, doch für eine Teilnahme am Training der ersten Mannschaft reicht es nicht. „Das schaffe ich noch nicht“, sagt Mamic. „Ich sehe meine Lage jetzt realistischer, aber optimistisch bin ich immer noch. Wäre ich das nicht, könnte ich aufgeben.“ Und das will er nicht, auch wenn Sport-Bild mit der Schlagzeile „Mamic denkt ans Ende“ vorgeprescht ist. Die Springer-Presse hat das große Kämpferherz des ehemaligen Flügelspielers unterschätzt, denn er sagt: „Für mich und für Alba wäre es das beste, wenn ich wieder auf dem Parkett stehen würde.“

Alba Berlin, auch die Liga und die Fans, haben Mamic stets unterstützt. Er wurde ins All-Star-Team gewählt, und der Verein verlängerte im Stillen seinen Vertrag. Alba und Mamic hätten einen PR-Erfolg landen können, doch man sah von einer Presseerklärung und großem Rummel ab. Mamic sagt: „Ich muss nicht alles bekannt geben.“ Auf dem offiziellen Mannschaftsfoto ist Mamic neben Cotrainer Calvin Oldham und Nenad Canak zu sehen. Albas Vizepräsident Marco Baldi hat bereits angedeutet, dass Mamic vom Verein getragen wird, egal, ob er wieder auf Spitzenniveau spielen kann. Über eine Beschäftigung als Trainer oder im Management habe man aber noch nicht konkret gesprochen, sagt Matej Mamic.

Die Mediziner haben im vergangenen Jahr ihre Aufgabe darin gesehen, Mamic wieder ein normales Leben auf zwei Beinen zu ermöglichen. Doch er wollte mehr. „Wenn ich für das normale Leben wiederhergestellt bin, dann sind das nicht 100 Prozent“, hat er immer wieder gesagt, allenfalls 80 oder 90 Prozent. Es kann sein, dass Matej Mamics Prozentrechnung nicht ganz aufgehen wird.