Giftmüll-Exporteur kauft sich frei

Im Giftmüllskandal zahlt die niederländische Trafigura der Regierung der Elfenbeinküste 159 Millionen Euro. Im Gegenzug kommen drei inhaftierte Angestellte des Konzerns frei. Wie die eigentlichen Opfer entschädigt werden, ist dagegen unklar

AUS NAIROBI MARC ENGELHARDT

Bei der Zeremonie im ivorischen Präsidentenpalast gab man sich fröhlich. „Das ist ein guter Vertrag“, lobte Präsident Laurent Gbagbo das Abkommen mit dem niederländischen Multi Trafigura, der ein halbes Jahr zuvor 528 Tonnen giftige Ölschlämme in der Millionenstadt Abidjan abgeladen hatte. Dafür lässt Trafigura einiges springen: 159 Millionen Euro zahlt der Konzern an die Regierung der Elfenbeinküste, die sich dafür verpflichtet, von Klagen und weiteren Forderungen abzusehen. Drei Trafigura-Angestellte, die im Zusammenhang mit dem Skandal seit September in Abidjan eingesperrt sind, sollen freigelassen werden.

Im Schutz der Nacht hatte der Frachter „Probo Koala“ am 19. August 2006 in Abidjan angelegt. Binnen Stunden war die toxische Fracht auf Tankwagen des ivorischen Entsorgers Tommy verladen. Die verteilten den Giftmüll daraufhin auf Hausmüllplätze und andere wilde Kippen, viele in der Nähe von Wohnvierteln. Mindestens zehn Bewohner starben, mehr als 70.000 ließen sich mit Kopfschmerzen, Erbrechen und Übelkeit in Krankenhäusern untersuchen. Dennoch beharrt Trafigura bis heute darauf, die Ladung sei ungiftig gewesen. Der außergerichtliche Vergleich, so ein Firmensprecher, sei kein Eingeständnis irgendeiner Schuld.

Unklar ist bislang, wie viel von den Millionen bei den Erkrankten und den Familien der Hinterbliebenen ankommen wird. Der Vertrag legt nur grob fest, wie das Geld ausgegeben werden soll: 35 Millionen für die Entsorgung des Giftmülls durch eine Spezialfirma, etwa 8 Millionen für den Bau einer Müllverbrennungsanlage. Der Löwenanteil, 116 Millionen, sind „Reparationen für dem ivorischen Staat entstandene Schäden, inklusive Entschädigungen für die Opfer“. In einer Fernsehansprache warnte Gbagbo die Abidjaner vorsorglich vor überzogenen Erwartungen.

Eine Londoner Anwaltskanzlei, die eine Sammelklage gegen Trafigura eingereicht hat, sieht daher keinen Grund für einen Rückzieher. Eine ausreichende Entschädigung für die Opfer sei derzeit nicht in Sicht. Das glaubt auch der Chemieexperte Andreas Bernstorff, der für Greenpeace die Basler Konvention gegen Giftmüll mitverhandelt hat. „Letztlich hat Trafigura der ivorischen Regierung Lösegeld für seine Angestellten bezahlt.“

Der vom Bürgerkrieg gebeutelten ivorischen Regierung dürfte außer dem Geldsegen gelegen kommen, dass es kein Gerichtsverfahren gibt. Immer wieder gibt es Berichte, dass Tommy eine Briefkastenfirma war, bei der hochrangige Politiker und sogar die Präsidentengattin Simone Gbagbo die Finger im Spiel hatten. Die rapide Genehmigung für die Gründung des Unternehmens nur wenige Wochen vor der Landung der „Probo Koala“ erscheint anders kaum denkbar.

Auch beim UN-Umweltprogramm (Unep) herrscht keine ungeteilte Freude. „Es ist eine Lösung, wenn auch keine perfekte“, so Unep-Sprecher Nick Nuttall. Immerhin könne der aus Geldnot im Hafen von Abidjan lagernde Giftmüll nun fachgerecht entsorgt werden. Um ähnliche Vorfälle zu verhindern, will Unep Schlupflöcher im internationalen Recht schließen. Einen ersten Schritt hat die EU-Kommission unternommen. In einem neuen Gesetzentwurf sieht sie bis zu fünf Jahre Haft für Umweltdelikte „wie in Abidjan“ vor.