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Archiv-Artikel

Das goldene Kalb

Die Brit Awards, die am Mittwoch verliehen wurden, sind die wichtigsten Preise der britischen Musikwirtschaft. Leider stehen sie nur selten für Qualität. Was zählt, ist der kommerzielle Erfolg

VON PATRICK STELLER

Dass die Arctic Monkeys die wichtigsten beiden Brit Awards für das Album und die Gruppe des Jahres gewonnen haben, ist keine Überraschung. So wie in den vergangenen Jahren die Alben von Coldplay, haben sie der darbenden Musikindustrie mit „Whatever people say …“ eine Platte beschert, die in den vergangenen 13 Monaten wie geschnittenes Brot verkauft wurde. Zum Dank der Industrie gab es also am Mittwochabend in London die Preise.

Und wieder einmal hat eine dieser großen Preisverleihungen, wie der Grammy oder der deutsche Echo, das Vorurteil bestätigt, langweilig und voraussehbar zu sein. Prämiert wird Musik, die sich gut verkauft hat oder die nach dem Willen der von der Musikindustrie dominierten Jury noch mehr gekauft werden sollte.

Klar, die Arctic Monkeys machen coolen Retro-Schrammelpunk und treffen mit poetischen Texten über die Jugend mit ihren Romanzen und Problemchen den Nerv der Zeit. Ihr Debüt avancierte mit 118.000 verkauften Kopien am ersten Tag zum schnellstverkauften Album in der englischen Geschichte. Sie waren die Einzigen, die in den vergangenen Monaten mehr Alben verkauft haben als jede andere britische Band. Aber so innovativ und zwingend das Beste, was Großbritanniens Musikszene im vergangenen Jahr zu bieten hatte, ist das deshalb noch lange nicht.

Mit einer Ausnahme: Die Musikkritiker der Insel lieben die Arctic Monkeys und haben ihnen deshalb im vorigen Herbst den „Mercury Prize“ überreicht. Der steht für die künstlerische Qualität. Also hat es diesmal doch funktioniert, Kommerz und Kunst gehen Hand in Hand. Anderen Kritikerlieblingen wie PJ Harvey oder den einst genialen Pulp war das nicht vergönnt.

Ein Blick zurück: Bei der 2006er Show waren die Kaiser Chiefs das goldene Kalb, das die Musikindustrie auszeichnete, um noch einmal die Verkaufszahlen anzukurbeln. Der Sound war ähnlich retrodominiert. Die eingetretenen Pfade von Franz Ferdinand, Maximo Park und den anderen Vorgängerbands, die seit vier Jahren die mainstreamgewordene Indie-Schiene bedienen, sind noch immer begehbar.

Hier eine kleine Stellschraube verdreht, da einen Schlag mehr Dancemusik und Geschichten aus der Gosse – und schon hat man die Arctic Monkeys. Noch ein Jahr davor gewannen der Coldplay-Abklatsch Keane und ebenjene Franz Ferdinand, die Anfang 2003 die Retrowelle so richtig ins Rollen brachten.

Für die diesjährigen Brit Awards hätte es neben den „erwartbaren“ Arctic Monkeys aber auch eine andere Band gegeben, die einen Preis für ihr Album verdient hat. Muse, die mit dem progressiven „Black Holes and Revelations“ ein Album vorgelegt haben, das sich wohltuend vom Retro-Geschrammel auf der Insel abhebt. Doch die Jury gab der Band lieber einen Preis für die beste Liveperformance, den zweiten nach 2005. Doch wer live gut ist, macht auch gute, wenn nicht bessere Platten.

Dass Amy Winehouse und nicht Lily Allen als beste Sängerin ausgezeichnet wurde, passt da auch in das Kalkül der Industrie. Mit ihrer Melange aus Jazz, Soul und Pop spricht sie die Hörer an, die eben noch wissen, wie man in den Laden geht und sich eine CD kauft. Allen als überbewertetes Internet-Produkt wird nicht zugetraut, längerfristig verkaufsträchtig zu sein.

Ende April erscheint das zweite Album der Arctic Monkeys – „Favourite Worst Nightmare“. Da sie ja nun die Brit Awards und den Kritikerpreis gewonnen haben, dürfte der Hype bis dahin noch weitergehen.