Bizarrer Prozess
VON KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
Die Strafkammer am Landgericht Mannheim hat den von der Staatsanwaltschaft als „glühenden Hitlerverehrer“ und „rechtsextremistischen Rattenfänger“ bezeichneten Revisionisten Ernst Zündel zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Das Strafmaß entspricht dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Mit der Urteilsverkündung ist einer der längsten und auch bizarrsten Prozesse, so Staatsanwalt Andreas Grossmann, in der Geschichte der deutschen Nachkriegsjustiz beendet worden.
Gegen Zündel wurde seit November 2005 verhandelt. Ein erstes Verfahren war wegen des Ausschlusses seiner rechtsextremistischen Verteidigerin Sylvia Stolz wegen ungebührlichen Verhaltens vor Gericht und Aufstachelung zum Judenhass geplatzt. Allerdings kündigten die drei anderen rechtsextremistischen Wahlverteidiger von Zündel um den bekannten NPD-Anwalt Jürgen Rieger schon im Vorfeld der Entscheidung für den Fall der Verurteilung ihres Mandanten den Gang in die Revision an.
Die Kammer unter Vorsitz von Richter Ulrich Meinerzhagen sah es wie zuvor schon die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer als erwiesen an, dass Zündel über Jahre hinweg in Wort und Schrift den Massenmord an den Juden im Dritten Reich geleugnet und die Opfer des Holocaust und ihre Angehörigen „verunglimpft“ habe. Daran könne nach Sichtung der von Zündel herausgegebenen sogenannten Germania-Rundbriefe und der inzwischen aus dem Internet verbannten „Zundel-Sites“, die im Gerichtssaal auf Video vorgeführt wurden, nicht mehr gezweifelt werden. Die Kammer folgte den Einlassungen der Verteidigung nicht, wonach sich Zündel – wie von Rieger in seinem Plädoyer vorgetragen – in einem „Verbotsirrtum“ befunden habe. Zündel, so Rieger, habe nicht gewusst, dass das Leugnen des Holocaust in Deutschland strafbar ist. Auch dass ausschließlich die US-amerikanische Ehefrau von Zündel, die kalifornische Literaturpreisträgerin und Hitler-Verehrerin, Dr. Ingrid Rimland, für die Inhalte und die Verbreitung der „Zundel-Sites“ verantwortlich gewesen sei, hielt die Kammer für eine wenig glaubwürdige Einlassung.
Zur Entlastung seines Mandanten vorgetragen hatte diese These der greise rechtsextremistische Advokat Helmut Schaller aus Österreich, der im Prozessverlauf erschöpft von der langen Anreise mit der Bahn wiederholt auf der Verteidigerbank eingeschlafen war. Das Gericht konstatierte gestern auch, dass sich Rieger mit seinem Plädoyer, in dem der Rechtsanwalt selbst den Völkermord an den Juden bestritten hatte, strafbar gemacht habe.
Zündel war im Februar 2005 von Kanada, wo er zu Propagandazwecken einen lokalen Radio- und Fernsehsender betrieb, nach Deutschland abgeschoben worden. Seitdem sitzt er in der JVA Mannheim in Untersuchungshaft, die ihm jetzt auf die Strafe angerechnet werden wird.
Dass sich Zündel vor einem deutschen Gericht verantworten musste, hat er den USA zu „verdanken“. Die schoben den Ehemann der US-Staatsbürgerin Rimland nach Kanada ab – nicht wegen seiner Hetze gegen Juden und der Negierung des Holocaust, sondern wegen eines Verstoßes gegen die Einwanderungsbestimmungen. In den USA bekannt geworden war Zündel, weil er eine Gruppe von US-Wissenschaftlern dazu animieren konnte, am Nordpol das Packeis aufzuhacken: auf der Suche nach der eingefrorenen Leiche von Adolf Hitler. Dass dieser in seinem Bunker in Berlin Suizid begangen habe, sei nämlich nur ein von Juden und den Alliierten verbreitetes Märchen, so seine Behauptung.
Nachdem sich Zündel im Prozess nicht zu den Vorwürfen geäußert hatte, forderte im Schlusswort die Einsetzung einer Expertenkommission zur Untersuchung der Vorgänge in den Konzentrationslagern und bot dafür seine Hilfe an.
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