: Der Echte
MUSIK Arne ist Bassist einer Hardcoreband. Geld verdient er damit nicht. Das ist ihm auch nicht wichtig. Er will unabhängig bleiben
Arne Lange, 31 Jahre: steht auf Hardcore und Selbstbestimmung. Er wohnt in Kreuzberg in einer Wohngemeinschaft Foto: Jan Oppel
VON JAN OPPEL
Arne Lange wohnt in einem Kreuzberger Hinterhaus, im Hof stehen alte Fahrräder an einem Stapel Holz. Es ist halb vier, als Arne etwas zerzaust die Tür öffnet, er ist gerade aufgestanden.
„Willst du ’n Kaffee ?“ Dazu gibt es veganen Kuchen. Arne, 31 Jahre, studiert seit letztem Jahr Soziale Arbeit an der Alice Salomon Hochschule und wohnt mit fünf MitbewohnerInnen zusammen. Er spielt bei der Hardcore Band Just Went Black den Bass und arbeitet nebenbei mit obdachlosen jungen Erwachsenen.
Arnes Band klingt hart, laut, die Gitarren aber sind melodisch. In ihren Texten drücken sie ihre Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Mehrheitsgesellschaft aus. Verbunden fühlt sich Arne auch der Berliner und Hamburger DIY-Szene. Das steht für „Do it yourself“. Er sagt: „Es geht dabei darum, sich selbst zu organisieren, sich gegenseitig zu helfen und zu unterstützen“. DIY versteht sich als Gegenentwurf zur Konsumgesellschaft und versucht als Gegenkultur das klassische Verhältnis von Verbraucher und Erzeuger aufzubrechen. Statt nur zu konsumieren, geht es darum, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen.
Echter Underground. Die Szene ist offen für alle, die auch ihre Unabhängigkeit bewahren und die Sachen selber machen wollen. Zum Massenphänomen ist die Bewegung aber trotzdem nie geworden.
Arne verschwindet erst mal im Bad, danach geht er in sein Zimmer, das ein bisschen aussieht wie ein Plattenladen. Seine Regale sind voll mit Tonträgern. Arne rückt einen Stuhl zurecht, setzt sich, dreht eine Zigarette.
„Für mich geht es darum, ein Leben zu führen, das mir gefällt, wo es nicht wichtig ist, Geld zu verdienen und Karriere zu machen.“ Über die Musik hat Arne auch die Szene für sich entdeckt. Damals in Hamburg war er in einer Gruppe, die Konzerte in der Roten Flora, einem autonomen Jugendzentrum in Hamburg, organisiert hat. „Ich fand es cool, Bands, die ich mochte, zu unterstützen“, sagt Arne. Dafür ging er mit seinen Freunden Flyer kopieren, plakatieren und zog die Veranstaltungen in Eigenregie durch.
In dieser Zeit lernte Arne auch Sven kennen. Der ist bis heute Sänger der Band Just Went Black. Sie kannten und verstanden sich über die Musik und Arne übernahm ab 2002 den Bass. Der Gedanke eines eigenständigen und selbst organisierten Lebens spiegelt sich auch im Alltag der Band wider.
Sie spielen am liebsten in Kulturzentren, Hausprojekten oder auf Konzerten von Freunden. „Wir fühlen uns da einfach wohler“, sagt Arne. Die Band hat von der Slowakei bis Portugal Konzerte gegeben und eine Platte in den USA herausgebracht. Es kommt schon mal vor, dass die Band auch in kommerziellen Clubs spielt. Verwerflich findet Arne das nicht.
Die Band spielt bei ihren Touren seit fast 10 Jahren nach wie vor für Fahrgeld, Essen und einen Schlafplatz. Wenn nur 10 Leute kommen, wird dem Veranstalter geholfen. „Dann teilen wir den Verlust lieber durch fünf, als dass einer darauf sitzen bleibt“, sagt Arne. Auf ein Konzert möchte er heute Abend auch noch. Eine befreundete Band aus Hamburg spielt im Wedding. „Es ist immer komisch, anderen Leuten zu erklären, wieso man das alles macht. Für mich ist es normal“, sagt er. „Es geht einfach darum, sich wohlzufühlen“.