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Archiv-Artikel

Wo Buenos Aires baden geht

Im argentinischen Sommer ist Mar del Plata der am meisten besuchte Küstenort des Landes. Hier tummelt sich halb Buenos Aires. Nobelorte wie Biarritz dienten als Vorbilder. Vom einstigen Luxus ist allenfalls der Name „Playa Bristol“ geblieben

von JÜRGEN VOGT

Im Januar und Februar ist Buenos Aires leer, Mar del Plata voll. Alle Fernsehkanäle senden täglich live von den Stränden an der Atlantikküste. Im Winter wohnen hier 700.000 Menschen, jetzt im Sommer steigt die Zahl auf rund drei Millionen. „Mar del Plata ist die erste Stadt des Massentourismus in Argentinien.“ Suzanna Echarren kam selbst als Touristin nach Mardel, wie es mitunter genannt wird. Heute arbeitet sie im Tourismusbüro der Stadt, ist eine Marplatense geworden. 70 Prozent der Touristen kommen aus der Hauptstadt Buenos Aires, das war schon immer so, der Rest aus den Provinzen. Der internationale Tourismus geht an Mar del Plata vorbei.

Mar del Plata ist für die Porteños, Hauptstädter, obligatorisch. „Die Leute kommen am Wochenende, es ist die Stadt der Verliebten. Brautpaare machen ihre Hochzeitsreisen hierher, die Eltern kommen nach der Geburt des ersten Kindes“, sagt Suzanna Echarren. „An der ganzen Atlantikküste ist Mar del Plata am preiswertesten, und wer für zehn Tage kommt, kann jeden Tag an einen anderen Strand gehen.“

„Der Ort mit seiner Felsenküste ist einzigartig in Argentinien“, bestätigt Roberto Cova. „Das hat die Aufmerksamkeit der Reichen geweckt.“ Der Architekt ist gebürtiger Marplatense und lebt seit 76 Jahren in seinem Geburtshaus in Mar del Plata, wo sich die Sierra aus dem Hinterland an der Küste verläuft. Im 19. Jahrhundert grasten in der Gegend abertausende von verwilderten Rindern. Das Land war im Besitz der Familien Peralta Ramos und Luro. In einer Salzerei an der Küste machten sie das Fleisch haltbar und exportierten es in die Sklavengebiete Brasiliens und der Karibik. Der Reichtum häufte sich, die Kinder reisten nach Europa in die schicken Badeorte San Sebastián und Biarritz.

Zurück zu Hause bauten sie in Mar del Plata die ersten Villen. 1880 begann die Geschichte des Badeortes der Luxusklasse. Er zog die reiche Oberschicht der Hauptstadt an. „Das argentinische Biarritz“ nennt es Cova. 1886 war die Eisenbahnlinie von Buenos Aires bis nach Mar del Plata gebaut. 1888 wurde das Hotel Bristol eröffnet und 1913 nach französischem Vorbild eine Strandpromenade eingeweiht.

Der Strand trägt noch immer den Namen Playa Bristol. Doch heute bleibt der Blick auf die Stadt an den Hochhäusern hängen. 1948 war das Baugesetz geändert worden. Wo vorher nur niedrige Villen, Chalets und Häuser standen, durfte jetzt in die Höhe gebaut werden. „Damals brach das Baufieber aus“, seufzt Cova. Alle Villen und Chalets sind nach und nach den Hochhäusern der Hotels und Apartmenthäusern gewichen. Doch Mar del Plata wächst nicht nur in die Breite, sondern auch in die Höhe. Seit 1900 ist der Tourismus der größte Arbeitgeber.

Dutzende von Seelöwen warten am Hafen auf die Rückkehr der Fischkutter. Das Wasser ist flach, für große Frachter nicht geeignet. So ist es beim überschaubaren Fischerhafen geblieben. Nach der Bauwirtschaft ist der Fischfang der drittgrößte Arbeitgeber der Stadt. Golondrinas, die Schwalben, werden die vielen Saisonarbeitskräfte in Hotels und Gaststätten spöttisch genannt, die im Winter in ihre Heimatorte in den Provinzen zurückkehren. Das Fernsehen sendet dann wieder aus der Hauptstadt. Die 50.000 Winterurlauber, die an den Wochenenden im Juli und August kommen, fallen unter den Marplatenses nicht auf. Platz in Hotels, Restaurants und am Strand ist günstig zu bekommen. Nur die Seelöwen im Hafen warten immer noch.