: Nichts für Warmduscher
UKRAINE Um Gas für den Winter zu sparen, werden die Haushalte in Kiew bis Anfang Oktober nur noch mit kaltem Wasser versorgt. Boiler sind mittlerweile Mangelware
■ Die ukrainische Armee hat einen wichtigen Kontrollpunkt im Westen der Separatistenhochburg Donezk eingenommen. Ein Reporter der Nachrichtenagentur AP beobachtete am Dienstagmorgen einen Panzer mit ukrainischer Flagge an der Straße durch die Kleinstadt Marinka rund 35 Kilometer südwestlich von Donezk. In der Nähe des Stadtzentrums von Marinka befanden sich aber nach wie vor Rebellen in Scharfschützenstellungen. Ein Sprecher des ukrainischen Militärs kündigte weitere Gefechte an, um die vollständige Kontrolle über die Kleinstadt zu gewinnen. Donezk ist eine der letzten Bastionen der Separatisten. Die ukrainische Regierung hat in den vergangenen Tagen die Kontrolle über mehrere Orte in der Region zurückerobert. (ap)
AUS KIEW ANDREJ NESTERKO
„Das ist doch Hohn, im 21. Jahrhundert wie im Mittelalter zu leben! Ich bin nicht dazu bereit, mich wie meine Vorfahren im Fluss zu waschen.“ Olga, zweifache Mutter und wohnhaft in Kiew, ist empört. In der ukrainischen Hauptstadt mit mehr als vier Millionen Einwohnern wurde Anfang August das warme Wasser abgestellt. Die lokale Regierung hat den Heizwerken den Hahn zugedreht, um für den Winter Gas zu sparen.
Die meisten Einwohner erwärmen ihr Wasser auf dem Herd. Andere gehen in die Sauna. Diejenigen, die nur wenig Geld haben, waschen sich im Fluss Dnjepr oder in den zahlreichen Seen der Umgebung.
Eine Lösung für das Kaltwasserproblem in den Haushalten könnte die Installierung eines Boilers sein. Doch die Haushaltswarengeschäfte sind nur bedingt auf die große Nachfrage vorbereitet. Die günstigsten Boilermodelle waren bereits kurz nach Verkündung des Warmwasserstopps ausverkauft. Selbst die teuersten Modelle sind kaum noch erhältlich.
In einigen Geschäften werden Listen für den Verkauf geführt. Oft stehen die Verkäufer selbst auf der Liste. Er mache gerade das Geschäft seines Lebens, sagt Igor, der Kundenberater ist. Früher seien durchschnittlich zehn Boiler pro Monat verkauft worden, heute seien es mehr als zehn pro Tag – vorausgesetzt, sie kommen überhaupt in den Verkauf.
Beim Kauf hören die Probleme nicht auf. Der Boiler muss noch montiert werden. Elektriker sind derzeit auf Wochen im Voraus ausgebucht. Daher sind viele Kunden bereit, mehr als den verlangten Preis zu zahlen, damit der Boiler schneller angeschlossen wird.
Im Kiewer Rathaus werden Däumchen gedreht. Die Firma Kiewenergo, die für die Warmwasserversorgung in der Stadt zuständig ist, klagt, ihre Mittel seien zu gering, um Gas zu kaufen. Die Firma behauptet, die ihnen zustehenden Zuschüsse aus dem Haushalt nicht erhalten zu haben, obwohl die Kiewer Einwohner für ihre Versorgung rechtzeitig bezahlt hätten.
Das Spiel mit dem Wasser steigert den Missmut der Menschen gegenüber der gesamten Regierung. „Die Ukraine fördert genug Gas, um die eigene Bevölkerung zu versorgen“, sagt die auf Versorgungsfragen spezialisierte Juristin Tatjana Montja. „Das billige Gas fällt Oligarchen in die Hände, die es weiterverkaufen. Eine Übersicht darüber gibt es nicht, genauso wenig wie eine Aussicht auf Reformen im Land.“
In den sozialen Netzwerken herrscht Angst, dass Kiew nicht nur ohne warmes Wasser, sondern auch noch ohne Heizung durch den nächsten Winter kommen muss. Aus dem Rathaus hieß es bereits, es sollte auch weiterhin Gas eingespart und die Temperaturen in den Haushalten gesenkt werden. In der Ukraine werden die Heiztemperaturen zentral geregelt.
Ein weiteres Problem sind die Elektroleitungen, die seit Sowjetzeiten nicht mehr modernisiert worden sind. Spezialisten warnen, dass die Leitungen durch die vielen neuen Boiler und elektrischen Heizungen im Winter überlastet werden könnten.
Aus dem Russischen Ljuba Naminova