: Korruptionstipps bei Siemens
Im Münchner Bestechungsskandal wollten Kontrolleure angeblich die Affäre vertuschen
VON TARIK AHMIA
In der Affäre um Schmiergeldzahlungen bei Siemens soll auch die Antikorruptionsabteilung des Konzerns verwickelt sein. Zwei Führungskräfte aus der Abteilung, die gegen Gesetzesverstöße vorgehen soll, seien nach Medienberichten über Schwarzgeldkonten bei Siemens im Bilde gewesen. Nicht nur das: Sie hätten sogar versucht, deren Existenz zu vertuschen.
Die Staatsanwaltschaft hatte ermittelt, dass ein Netzwerk von Siemens-Mitarbeitern seit Mitte der 90er-Jahre vermutlich mehr als 200 Millionen Euro veruntreut hat. Das Geld sei zur Bestechung ausländischer Beamter und Politiker eingesetzt worden, um bei Ausschreibungen zum Zug zu kommen. Die Staatsanwälte ermitteln seit einem Jahr.
Die nun beschuldigten Siemens-Kontrolleure sollen Ratschläge geliefert haben, um das Schmiergeldsystem zu vertuschen, berichtet die SZ. Angeblich hätten sie etwa empfohlen, das bestehende System illegaler Konten so umzustellen, dass die Ermittlungen deutlich erschwert werden. Weder Siemens noch die Staatsanwaltschaft München wollten gestern zu den neuen Vorwürfen Stellung nehmen. „Es gibt bisher nur die Behauptung eines Beschuldigten“, sagte ein Siemens-Sprecher der taz. Das Unternehmen arbeite aber eng mit der Staatsanwaltschaft zusammen.
Vorstandschef Klaus Kleinfeld kündigte an, die Verhaltensregeln für Siemens-Mitarbeiter deutlich zu verschärfen. Unter anderem sollen Antikorruptionsregeln Bestandteil aller Arbeitsverträge werden. Die neuen Regeln müssen sich in der Praxis beweisen – doch die ist anfällig für Korruption. Siemens erwirtschaftet heute 81 Prozent seines Gesamtumsatzes von 87 Milliarden Euro im Ausland. Besonders stark legten in diesem Jahr die Geschäfte in Afrika, im nahen Osten und in Russland zu. Sie alle schneiden beim Korruptionsindex von Transparency International eher schlecht ab.
Der Siemens-Vorstand könnte die neue Korruptionsaffäre auch durch knallharte Renditevorgaben für seine 15 Konzernsparten begünstigt haben. Seit 2003 muss jeder Unternehmensteil die Renditeziele erfüllen „Viele Geschäftsführer billigen es noch immer, Korruption einzusetzen, um an Aufträge zu kommen“, sagt Oliver Pragal von der Bucerius Law School in Hamburg.
„Unternehmensethik kann man nicht installieren wie eine neue Gasheizung“, sagt Korruptionsexperte Kai Bussmann von der Universität Halle-Wittenberg. Auch die Androhung harter Strafen hält Bussmann nicht für ausreichend: „Die Regeln müssen auf allen Ebenen des Unternehmens gelebt werden.“ Bussmann hält ein sogenanntes „Whistleblowing“-System in vielen deutschen Unternehmen für überfällig. „Zu wenige Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern heute anonyme Anlaufstellen an, um illegale Geschäftspraktiken zu melden“, so Bussmann. Die Bielefelder Juristin Britta Bannenberg fordert außerdem, korrupte Unternehmen an den Pranger zu stellen. „Ein sehr wirksames Mittel könnte der bundesweite Einsatz von Vergabesperren sein“, so Bannenberg.