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Archiv-Artikel

Das Ende der Spitzel

Im öffentlichen Dienst Berlins sind die meisten Überprüfungen auf Stasi-Mitarbeit längst gelaufen. Doch in den Bezirksverordnetenversammlungen sitzen vereinzelt noch ehemalige DDR-Spitzel

Von KONRAD LITSCHKO

„Sind Sie für das frühere Ministerium für Staatssicherheit oder vergleichbare Institutionen tätig gewesen?“ Es ist diese Frage, die ab nächstem Jahr nach dem Willen von CDU, SPD und Grünen von den Personalfragebögen für einen Großteil von Berufseinsteigern im öffentlichen Dienst gestrichen werden soll. Heute wird im Bundestag über die Neufassung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes abgestimmt. Danach sollen ab 2007 nur noch bedeutende Personen des öffentlichen Lebens, wie Bundes- und Landespolitiker, hohe Beamte oder Richter auf eine Stasi-Tätigkeit überprüft werden.

Auf Landesebene hingegen spielen die Stasi-Überprüfungen heute kaum noch eine Rolle. „Wir stellen nur richterliche Berufsanfänger ein, die inzwischen zu jung sind für eine aktive Rolle in der Stasi“, so Juliane Baer-Henney, Sprecherin der Senatsverwaltung für Justiz. Überprüfungen würden daher erst gar nicht mehr durchgeführt. Ebenso bei der Berliner Polizei: „Unser höchstes Einstiegsalter ist 31 Jahren, da fällt die Anfrage heute flach“, so Sprecher Klaus Schubert. Zuletzt habe man 2001, vor dem letzten Einstellungsstopp, 9.020 Polizisten überprüft. Kurz nach der Wende waren schon einmal 7.611 ehemalige DDR-Volkspolizisten und 2.968 Beamte aus dem Westen gecheckt worden. Wie vielen davon eine Spitzeltätigkeit nachgewiesen wurde, konnte Schubert nicht sagen.

Auch in den Bezirksämter wurde nach Stasi-Mitarbeit in den Personalbögen gefragt. „Wer da Ja angekreuzt hat, wurde erst gar nicht eingestellt“, sagt Johannes Middendorf, Personalleiter im Bezirksamt Lichtenberg. Nach der Wiedervereinigung wurde die Behörde systematisch überprüft. Berlinweit 790 Mitarbeiter mussten ihren Dienst quittieren. Einer der Tummelplätze für ehemalige Stasi-Mitarbeiter: Lichtenberg. „Nach den Überprüfungen mussten wir eine Menge Arbeitsverhältnisse beenden, erinnert sich Middendorf an die direkte Nachwendezeit. „30 bis 40 Kündigungen hat es bestimmt gegeben.“

Bei den Berliner Universitäten gilt heute noch: Wenn Neueinstellung, dann Anfrage an die Birthler-Behörde. Dass dabei eine Tätigkeit nachgewiesen wird, ist allerdings die Ausnahme. Andreas Kreßler, Leiter der Personalabteilung an der Humboldt-Universität: „In den letzten Jahren hatten wir da vielleicht drei Personen.“ Anfang der 90er-Jahre habe man eine flächendeckende Überprüfung durchgeführt. „Gerade um das Vertrauen in der Öffentlichkeit wiederherzustellen“, so Kreßler. Rund 6 Prozent der enttarnten Universitätsmitarbeiter mussten damals gehen.

Heikel wird es auf der politischen Ebene. Im Abgeordnetenhaus habe es seit der Wende auf Beschluss der Landespolitiker einen Ehrenrat für die Stasi-Überprüfungen gegeben. „Die Möglichkeit einer Mandatsaberkennung bei einer Stasi-Mitarbeit haben wir aber nicht“, erklärt der Direktor des Abgeordnetenhauses, Hartmann von der Aue. Es werde lediglich eine öffentliche Empfehlung zum Rücktritt ausgesprochen. Nach der Wiedervereinigung habe es etwa fünf belastete Abgeordnete gegeben. „Nicht jeder davon ist aber zurückgetreten“, so von der Aue. In der letzten Legislaturperiode gab es keinen positiven Antrag mehr. Problematisch allerdings: „Es haben auch bis zu fünf Abgeordnete nicht an der freiwilligen Überprüfung teilgenommen.“

In den Bezirksparlamenten wirken dagegen bis heute ehemalige Stasi-Mitarbeiter aktiv mit. In der letzten und vorletzten Wahlperiode habe es in der BVV von Treptow-Köpenick jeweils drei belastete Verordnete gegeben, sagt Winfried Blohm, ehemaliger SPD-Bezirksvorsteher. Auch auf Bezirksebene reiche der Job bei der Stasi nicht zum Parlamentsausschluss. Seit der Wiedervereinigung würden auf Antrag einer Fraktion nach der Konstituierung alle BVV-Mitglieder überprüft. Blohms SPD arbeitet momentan an einem Antrag für die gerade beginnende Legislaturperiode. Wird eine Stasi-Mitarbeit nachgewiesen, informiert der Vorsteher die betroffene Partei. „Öffentlich nennen wir aber keine Namen“, so Blohm. Verweigert der Betroffene den Rücktritt, müsse er normal in die BVV integriert werden. „Da hilft auch die innere Wut nicht“, ärgert sich Blohm.