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Archiv-Artikel

Rechter Musikmacher vor Gericht

NPD-Mann hält von ihm vertriebene Hass-CDs für rechtskonform. Der Staatsanwalt nicht

DRESDEN taz ■ Jens Pühse, Geschäftsführer des „Deutsche Stimme“-Verlages, Mitglied des Bundesvorstandes und Organisationsleiter der NPD, muss sich seit gestern vor dem Landgericht Dresden verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Volksverhetzung, Verletzung der Menschenwürde und Verbreitung von Propagandamaterial verfassungsfeindlicher Organisationen vor. Es geht um Tonträger mit barbarischen und menschenverachtenden Texten, die von ihm produziert oder vertrieben wurden. Bei zwei Durchsuchungen des Verlagshauses in Riesa waren 2003 und 2004 über 9.000 CDs sowie Computertechnik und schriftliches Beweismaterial beschlagnahmt worden.

Wegen eines Titels „Unter dem Krakenkreuz“ mit seiner offensichtlich synonymen Verwendung für das verbotene Hakenkreuz konnte der Prozess auf Landgerichtsebene vor die Staatsschutzkammer gebracht werden. „Es geht um die geistigen Brandstifter, die wir neben den Gewaltdelikten verfolgen“, sagte Oberstaatsanwalt Jürgen Schär unter Verweis auf den Prozess gegen die Gruppe „Landser“. In seinem sächsischen Zuständigkeitsbereich sind in den letzten Jahren etwa ein Dutzend Verfahren wegen ähnlicher Propagandadelikte eröffnet worden. Spektakulär war die Verurteilung der Hammerskins Adrian Preißinger und Mirko Hesse als Köpfe eines Netzwerks, das CDs bei der Firma AFK in der Slowakei produzierte und vertrieb.

Unter den inkriminierten Tonträgern sind solche der Gruppen „Feuerstoß“ und „Spreegeschwader“, die von Pühse im Studio des Verlages selbst produziert wurden. Andere stammen von „Pühses Liste“, seinem Internet-Vertriebskatalog. Die Texte primitivster Machart rufen zum Teil offen zum Mord an Türken oder „Zecken“ auf. Für einen besonders rüden Text, der Jesus am Kreuz auf perverse Weise als Masochisten verspottet, wendet die Staatsanwaltschaft sogar den umstrittenen so genannten Gotteslästerungsparagrafen 166 des Strafgesetzbuches an.

Von dieser CD distanzierte sich Pühse gestern. Den Vertrieb der übrigen verteidigte er aber und betonte sein Bestreben, legal zu arbeiten. „Ich tue nichts Kriminelles und keine illegalen Dinge“, sagte Pühse in seiner ersten Einlassung vor Gericht. Nach der Durchsuchung 2003 lässt der Deutsche-Stimme-Verlag Textinhalte offenbar genauer prüfen. Juristische Hilfe kommt dabei insbesondere vom „Deutschen Rechtsbüro“ in Hamburg, das sich als „Selbsthilfegruppe zur Wahrung der Rechte ‚politisch unkorrekter‘ Deutscher“ bezeichnet. Seine Leiterin, die Rechtsanwältin Gisa Pahl, gilt als Expertin in Medienfragen. Nebenbei offenbarte die von Richter Martin Schultze-Griebler geführte Verhandlung auch gravierende Mängel in der Buchhaltung des Verlages. So wurden Ein- und Ausgänge der Tonträger offenbar nicht korrekt erfasst.

Der Prozess wird voraussichtlich bis 7. März dauern. Das zu erwartende Strafmaß bewegt sich zwischen Geldstrafe und drei Jahren Haft. MICHAEL BARTSCH