SILKE MERTINS ZUM VORRÜCKEN DER IS-MILIZ IM NORDIRAK
: Morden mit Strategie

Peschmerga: Allein das Wort hat vielen Irakern gleich ein Gefühl von Sicherheit vermittelt. Denn sie galten als die stärksten und am besten ausgebildeten Militäreinheiten im gesamten Irak. Nicht ohne Grund flohen viele Iraker in den kurdischen Norden statt nach Bagdad, als die Dschihadisten vom „Islamischen Staat“ (IS) ihren Eroberungsfeldzug begannen. Christliche Dörfer und Städte waren dankbar, als die Peschmerga nach dem Verschwinden der irakischen Armee in den Süden vorrückten. Die kurdischen Truppen nahmen die Minderheiten unter ihren Schutz.

Der jüngste brutale Angriff der IS-Truppen auf die Christen und Jesiden – eine kurdische religiöse Minderheit – ist deshalb kein rein ideologisches Morden gegen „Ungläubige“. Es ist Teil einer militärisch-politischen Strategie. Die Angriffe sollen den stärksten Gegner treffen. Die Rückschläge der kurdischen Einheiten überraschen alle Gegner der Islamisten. Sie erschrecken und demoralisieren die Kurden ebenso wie den übrigen Irak.

Die Zerstörung von Kirchen, Kreuzen und Schriften ist auch eine Botschaft an die Schiiten. Auch deren Stätten sollen in Flammen aufgehen. Die IS ist zum Albtraum nicht nur für den Irak, sondern für die gesamte internationale Gemeinschaft geworden.

Da die USA seit zwei Jahrzehnten Schutzmacht der irakischen Kurden sind, stellt sich die Frage, ob und wie Washington eingreift. Frankreich hat den geflohenen Christen sofort Asyl angeboten und fordert eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats. Die ersten Familien sind bereits in Frankreich eingetroffen. Das hilft zwar den verfolgten Jesiden nicht, aber es ist mehr, als die deutsche Außenpolitik geplant hat: nämlich nichts.

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