: „Ich will keine fundamentalistische Politik“
Der CDU-Landtagsabgeordneter Wilp fordert von seiner Partei Offenheit – auch für kooperierende Schulformen
taz: Herr Wilp, in Ihrem Wahlkreis plädiert die CDU dafür, eine Hauptschule in eine Gesamtschule umzuwandeln. Setzt die Union in Emsdetten einen neuen Trend?
Josef Wilp: Bisher will die Fraktion das prüfen lassen. Nicht mehr und nicht weniger.
Fakt ist aber, dass mehr Kinder an Gesamtschulen angemeldet wurden, als es im Kreis Steinfurt Plätze gibt.
Das ist wohl so. Man muss aber erst einmal die Ursachen erforschen, bevor man reagiert. Es gibt da unterschiedliche Gründe. Ich stelle fest, dass zurzeit mehr Kinder, die an Gesamtschulen angemeldet werden, eine Qualifikation fürs Gymnasium haben. Für Eltern spielt es eine Rolle, dass ihre Kinder an Gesamtschulen ihr Abitur in neun und nicht in acht Jahren machen. Es mag aber auch am Image der Hauptschule liegen.
Diese wollte ihre Parteifreundin und Schulministerin Barbara Sommer durch mehr LehrerInnen aufwerten. Ist das Konzept gescheitert?
Das ist zu einfach. Die Stärkung der Hauptschule hat im letzten Jahr begonnen. Es bedarf einer gewissen Zeit und eines Durchhaltevermögens um das bewerten zu können. Was ich in diesem Zusammenhang ganz wichtig finde: Es kommt stark darauf an, dass Handwerker und Unternehmer bereit sind, Schulabgängern mit einem ordentlichen Hauptschulzeugnis auch einen Ausbildungsplatz anzubieten.
Die Eltern scheinen diesen Tag nicht abwarten zu wollen. Sonst würden Sie nicht alles dafür tun, ihre Kinder an eine andere Schule zu bringen.
Da scheint es ein Problem zu geben. Es hat keinen Sinn, davor die Augen zu verschließen. Es gibt aber auch Hauptschulen im Kreis Steinfurt, bei denen die Anmeldezahlen im Vergleich zum Vorjahr angestiegen sind.
Sie selbst sprachen gerade von Eltern, die ihren Kindern das Turbo-Abitur nicht zumuten wollen. War seine Einführung ein Fehler?
Das glaube ich nicht. Das Abitur nach 12 Jahren ist Konsens aller Parteien. Die Frage ist, ob die Eltern gut darauf vorbereitet sind. Ich bin der Ansicht, dass das Turbo-Abitur zu bewältigen ist. Vielleicht brauchen wir dafür mehr Mut und Selbstvertrauen. Man braucht nur ins Ausland zu schauen.
Dann schauen wir doch mal nach Finnland. Der PISA-Gewinner hat ein integratives Schulsystem. Sind die Eltern in NRW davon beeinflusst?
Auch hier muss nicht nur auf die Schulform, sondern auch auf andere Faktoren geschaut werden. Wie hoch ist zum Beispiel der Migrantenanteil an Finnlands Schulen?
Aber der Zulauf an Gesamtschulen in NRW ist Fakt. Muss die CDU nicht umdenken?
Ich bin dafür, dass wir keine fundamentalistische Schulpolitik betreiben, sondern vernünftig mit bestimmten Entwicklungen umgehen. Ich selbst habe viel für das dreigliedrige System übrig. Aber wir werden bei sinkenden Schülerzahlen organisatorische Probleme bekommen. Deshalb plädiere ich für Offenheit.
Also ist eine Zusammenlegung von Schulformen für Sie durchaus denkbar?
Wir müssen neue Wege und Formen finden, damit unsere Schüler vor Ort bleiben können – möglichst viele und möglichst lange. Um auf den demographischen Wandel reagieren zu können, werden wir in Zukunft eine Kooperation von Schulformen brauchen.
INTERVIEW: NATALIE WIESMANN