: Ich bin wie du, nur anders
Manche Karrieren brauchen einen bösen Knick, um neue interessante Richtungen einzuschlagen. Glücklicherweise scheiterten zum Beispiel mehrere Versuche Marianne Rosenbergs, am Eurovision Song Contest teilzunehmen. Die wegen der schlechten Vorentscheidsplatzierungen recht angefressene Sängerin nutzte die frühen 80er Jahre, um sich in Partnerschaften mit Künstlern wie Extrabreit, Inga Humpe und sogar Rio Reiser ein neues Repertoire und ein neues Image zu erschließen. Nein, ein nichtssagendes Schlagersternchen ist Marianne Rosenberg nie gewesen. Das hat sie nicht zuletzt bewiesen, als sie Angebote für öffentliches Auftreten mit ihrem Vater Otto Rosenberg empört als Respektlosigkeit gegenüber dem KZ-Überlebenden zurückwies. Dafür und für ihr ungebrochenes Engagement für die politische Vertretung der Sinti und Roma gebührt ihr Respekt. Ihre ungebrochene Popularität bleibt jedoch weiterhin in den früheren Jahren ihrer Karriere begründet. Man muss die fast mickymausartige Stimmlage und die bisweilen schlagertypisch platten Texte nicht unbedingt mögen, kein Weg aber führt daran vorbei anzuerkennen, dass Marianne Rosenberg die einzige irgendwie annehmbare deutschsprachige Vertreterin der Disco-Musik ist. „Er gehört zu mir“, „Ich bin wie du“ und selbst das Blondie-Cover „Herz aus Glas“ sind Stücke, die neben internationalen Klassikern derselben Zeit problemlos bestehen können. „Er gehört zu mir“ lässt sich locker als Megahit bezeichnen. Als unverwüstlicher Teil eines campen Paralleluniversums in der deutschen Provinz überlebt das Stück selbst die gelegentlich schlechte Allgemeinkonjunktur der Rosenberg. Wie nicht wenige ihrer Kolleginnen aus aller Welt hat sie unter schwulen Männern eine treue und verlässliche Fanbasis, die sie im Gegensatz etwa zu Donna Summer nie mit homophoben Bemerkungen vor den Kopf stoßen würde. Es erscheint dabei nicht unplausibel, dass die Sängerin hier nicht nur aus geschäftlichem Kalkül umarmt, was da an zahlendem Publikum kommt, sondern tatsächlich liberal, offen und parteiisch ist, eine Haltung, die sie so weit entfernt vom oft so miefigen deutschen Musikgeschäft, dass sie tatsächlich keine tümelnde Radioquote nötig hat, um gehört zu werden. Die inzwischen 56-Jährige hat nun mit ihrem neuen Album „Regenrhythmus“ ein weiteres veritables Discoalbum vorgelegt und ist damit auf Tour. Anlass genug, die alten Hits durchzuhören und richtig laut mitzusingen: … ist es wahre Liebe (uuuhhhuuuhhuuu) / die nie mehr vergeht (uhuuuhuu) / oder wird die Liebe, / vom Winde verweht? Daniél Kretschmar
■ Marianne Rosenberg: 19. 3., 20 Uhr, Huxleys Neue Welt. VVK: 33 €