Am liebsten Macho Nachos

Freiwillige Selbst-Ghettoisierung: In „Queer Duck: The Movie“ essen schwule Tiere schwule Pizza. Der ironische Cartoon läuft heute auf dem „Verzaubert“-Filmfestival

Im Naturhistorischen Museum Oslo ist derzeit die weltweit erste Ausstellung zum Thema Homosexualität im Tierreich zu besichtigen. Hengste treiben es mit Hengsten, Säue mit Säuen und so weiter. Mike Reiss, der mehrfach Emmy-gekrönte Produzent der „Simpsons“, wird von dieser Ausstellung noch nichts geahnt haben, als er vor einigen Jahren die schwulen Charaktere seines Cartoons „Queer Duck“ schuf. Dennoch erscheint es im Jahr 2006 – nun, da es auch „Queer Duck: The Movie“ gibt –, als finde neben der Verschwulung der Welt schon längst auch eine Verschwulung der Tierwelt statt.

„Queer Duck“ kommt, das wundert kaum, als campy Musical-Klamotte daher: Wie ein Enterich und ein Alligator Sex haben sollen, lässt sich zwar kaum vorstellen, dennoch leben Queer Duck und sein Freund Openly Gator ein recht glückliches Klischetuckenleben zwischen Fitnessstudio und dem nächsten Partyexzess. Bis sich Queer Duck in die alternde Filmdiva Lola Schluckspecht verguckt. Die ist so etwas wie die Personifizierung dessen, was man landläufig als „Schabracke“ bezeichnet, und wie viele stereotypisch konstruierte Schwulenfiguren hat auch Queer Duck eine Schwäche für tragische Frauenschicksale – weswegen er sich alsbald in die Praxis „Homo No Mo’ “ begibt und dort das wünscht, was in den USA derzeit auch immer mehr fundamentalistisch verwirrte Schwule wünschen: zum Hetero bekehrt zu werden.

Dass „Queer Duck“ ursprünglich mal als Internet-Cartoon startete, als Serie von vierminütigen, anklickbaren Flash-Filmchen, merkt man dem nur 56 Minuten langen „Queer Duck: The Movie“ in jeder Sekunde an: Ein übergreifender Dramaturgiebogen will sich nicht spannen, stattdessen hechtet der Plot ziellos von Pointe zu Pointe, vom „Was geschah wirklich mit Baby Jane?“-Zitat zum Gag auf Kosten von Michael Jackson.

Was „Queer Duck: The Movie“ allerdings tatsächlich interessant macht, ist, dass Mike Reiss – der gern betont, selbst nicht schwul zu sein – in dem Film auch das seltsame Zusammenspiel von Emanzipation und Konsumismus beleuchtet, das bei Schwulen in westlichen Gesellschaften zu einer freiwilligen Selbst-Ghettoisierung führt: Es reicht nicht, dass Queer Duck „Quentin Crisps“ und „Macho Nachos“ knabbert oder dass seine Clique tatsächlich einen „gay day“ im Vergnügungspark für eine gute Idee hält. Sogar die Pizzeria, in die die Tiere zum Essen gehen, muss schwul sein.

Dass „Queer Duck“ heute im Programm von „Verzaubert“, dem schwullesbischen Filmfestival gezeigt wird, könnte also darauf hindeuten, dass die Programmverantwortlichen ihre Arbeit durchaus selbstironisch betrachten. Schließlich lässt sich bisweilen auch bei einem Festival wie „Verzaubert“ der Eindruck gewinnen, dass es gar nicht so sehr um die Qualität der gezeigten Filme geht. Sondern erst mal darum, nett zur Zielgruppe zu sein.

JAN KEDVES

Heute 15.30 Uhr, Kino International. Infos unter: www.verzaubertfilmfest.com