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Archiv-Artikel

Würde bringt das nicht

PFANDKISTEN AUFGESTELLT

Hier wird versucht, ein gesellschaftliches Problem auf einer rein karitativen Ebene zu lösen

Ja, es ist gut, dass es auch in Berlin jetzt ganz offiziell Pfandkisten für FlaschensammlerInnen gibt. Während in anderen Städten gegen Mülleimer gekämpft werden muss, in denen der Abfall gleich an Ort und Stelle zerhäckselt und damit jede Flaschen suchende Hand gefährdet wird, zeugen die vier in dieser Woche aufgestellten Kisten rund um den Bahnhof Zoo von einem anderen Bewusstsein. Im Müll rumzuwühlen ist nicht schön, mitunter sogar gefährlich. Die Kisten, in denen Pfandflaschen hinterlassen werden, damit sie von den FlaschensammlerInnen einfach herausgenommen werden können, bieten hier eine einfache, pragmatische Lösung.

Gleichzeitig werden durch die Kisten aber andere mit dem Pfandsammeln verbundene Probleme mindestens ignoriert, wenn nicht sogar verschärft. Ein Gegenargument steckt in der Arbeitslogik der SammlerInnen: Je zugänglicher die Flaschen, desto mehr Menschen sammeln und desto größer ist die Konkurrenz – die Menge an Leergut wird schließlich nicht größer durch die Kisten.

Eine zweite Kritik ergibt sich beim Blick auf die Beziehung, in die diejenigen, die die Flaschen haben, und diejenigen, die sie haben wollen, gesetzt werden: Lege ich meine leere Flasche, meinen für mich wertlosen Müll, in eine Pfandkiste, so wird das als karitativer Akt verstanden. Der Sammler ist hier Almosenempfänger, angewiesen auf die Großzügigkeit anderer. Beim Phänomen Flaschensammeln geht es jedoch nicht nur um finanzielle Not, sondern oft auch um soziale: Wer Flaschen sammelt, strukturiert seinen Tag, trägt selbst aktiv zu seinem Lebensunterhalt bei. Wer diese Menschen zu Almosenempfängern macht, nimmt ihnen jene Würde, die im selbstständigen Handeln liegt.

Mülleimer durchwühlen zu müssen hat mit Würde nichts zu tun? Stimmt. Mit ein paar Drahtkästen aber gibt man sie den SammlerInnen trotzdem nicht zurück. Dem Bedürfnis nach sozialer Anerkennung, danach, durch die eigene Tätigkeit etwas wert zu sein, kommt man so kein Stück näher. Stattdessen wird hier versucht, ein gesellschaftliches Problem auf einer rein karitativen Ebene zu lösen. Das ist vielleicht besser als häckselnde Mülleimer, aber auf die Schulter klopfen muss man sich dafür nicht. MALENE GÜRGEN