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Archiv-Artikel

Machtstrukturen und Produktionsmethoden

Kann man aus schlechtem Essen gutes Kino machen? „Fast Food Nation“ von Richard Linklater ist ein Film, der den Appetit verdirbt

In den USA wurden schon aus Popsongs, Comics, Computerspielen, Zeitungsartikeln und Vergnügungsparkattraktionen Spielfilme gebastelt – warum also nicht aus einem Sachbuch? Eric Schlosser veröffentlichte 2001 mit „Fast Food Nation“ eine gründlich recherchierte Analyse der US-amerikanischen Fleischindustrie. Er beschreibt, wie skrupellos auf allen Ebenen der Herstellung und des Vertriebs die großen Lebensmittelkonzerne und Fast Food Ketten ihre Produkte durchsetzten und welchen Schaden sie dabei an der Umwelt und bei der Gesundheit der Verbraucher anrichten.

Ein Dokumentarfilm, der auf diesem Material basiert, wäre wohl ein ähnlich großer Erfolg wie der Bestseller – ist aber schwer zu realisieren, weil es kaum Drehgenehmigungen in den Fabriken und Restaurants geben würde und Anwälte gute Chancen hätten, den Film unter einer Prozesslawine zu begraben. Daher war es ein raffinierter Schachzug, die Aussagen des Film in einen fiktiven Rahmen zu setzen. So wird zwar keine Firma namentlich genannt, die Machtstrukturen, Produktionsmethoden und Missstände der Fleischindustrie können um so kritischer dargestellt werden.

Auf den ersten Blick scheint der Texaner Linklater auch genau der richtige Regisseur für solch einen Film zu sein. Mit „Slacker“ und „Dazed and Confused“ wurde er in den frühen 90er Jahren einer der Heroen des independent films, und mit „Before Sunrise“, „Before Sunset“ sowie „School of Rock“ erreichte er dann auch ein Mainstreampublikum, ohne sich dabei verbiegen zu müssen. Mit seinen guten Kontakten bekam er schnell eine grandiose Besetzung für den Film zusammen, und nun kann man in ihm neben Bruce Willis, Kris Kristofferson, Ethan Hawke und Patricia Arquette auch die Sängerin Avril Lavigne bei ihrem Leinwanddebüt bewundern.

Die schwerste Nuss dieses Projekts bestand darin, dass ein Spielfilm einen Plot braucht. Und hierbei scheiterte Linklater leider kläglich – vielleicht gerade, weil er mit Schlosser zusammenarbeitete. Denn dieser hatte natürlich Interesse daran, soviel Informationen aus seinem Buch wie möglich in den Film hinüberzuretten. Und das ging nur auf Kosten der Komplexität und Glaubwürdigkeit der Charaktere. So sind diese nicht viel mehr als reine Funktionsträger. Die Stars haben nur kleine Gastauftritte, bei denen sie in Dialogen jeweils nichts anderes tun, als die Position ihrer Figuren zu erläutern: Kristofferson als ein Viehbaron, Willis als Chefmanager und Hawke als langhaariger Dropout, der die kritischen Fragen stellt.

Die Dramaturgie ist hier lediglich eine Hilfskonstruktion, durch die der Film die verschiedenen Ebenen der Fleischproduktion und Vermarktung darstellen kann. Es gibt drei Erzählstränge: In einem wird der Marketingchef einer Fast Food Kette von der Zentrale in eine texanische Fleischfabrik geschickt, um dort zu untersuchen, warum zu viele Kolibakterien in deren Hamburgern sind. Im zweiten kommen einige Mexikaner illegal über die Grenze und finden Arbeit in der gleichen Fabrik. Im dritten wird von jungen Leuten erzählt, die Jobs in Hamburgerfilialen haben, sich aber zunehmend zu einer radikalen Tierschutzgruppe entwickeln. Bei jeder Szene merkt man überdeutlich, welche Botschaft vermittelt werden soll. Und das macht den Film leider ebenso unbekömmlich wie die Hamburger, die in ihm verbraten werden.

Wilfried Hippen