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Archiv-Artikel

Wer am Kompromiss sägen wird

Die Tabakindustrie und nicht gefragte Minister könnten noch am Gesetzentwurf drehen

Von LÖW

Der Kompromiss von Union und SPD zu Rauchverboten ist noch lange nicht Gesetz. Es gibt viele Kräfte, die in den nächsten Wochen versuchen werden, ihn aufzuschnüren – oder die eine oder andere Stellschraube zu ihren Gunsten zu verändern:

Ausgegrenzte Minister: In der sechsköpfigen Arbeitsgruppe saßen neben Politikern aus den Fraktionen nur Vertreter des Verbraucherschutz- und des Gesundheitsministeriums. Michael Glos hat keiner gefragt. Der Wirtschaftsminister hat sich aber erst neulich für freiwillige Selbstverpflichtungen der Gastronomie ausgesprochen. Obwohl Bierzelte vom Rauchverbot schon jetzt ausgenommen sind, könnte sich Glos noch mal einschalten. Auch Brigitte Zypries saß nicht am Verhandlungstisch. Die Raucherin hat sich kürzlich gegen ein Antiqualmgesetz ausgesprochen. Gerade die Justizministerin könnte wichtig werden, weil die Zuständigkeit des Bundes für Rauchverbote immer wieder in Frage gestellt wird.

Die Fraktionsmanager: Bei Gesetzesprojekten sind oft Verfahrensfragen und Last-Minute-Änderungen entscheidend. Dann schlägt die Stunde der parlamentarischen Geschäftsführer. Zum Beispiel von Hartmut Koschyk, parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe. Sein Wahlkreis liegt in Bayreuth, wo British American Tobacco (Lucky Strike, Gauloises) sein Werk hat und für Kunst und Kultur Gutes tut. „Ein gesetzlicher Anspruch auf den rauchfreien Thekenplatz geht eindeutig zu weit!“, erklärte Koschyk im September, obwohl parlamentarische Geschäftsführer selten zu Fachthemen Pressemitteilungen verschicken. Mitunterzeichner war Bernhard Kaster, parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion. Bei Kaster zu Hause in Trier sitzt die Tabak- und Cigarettenfabrik Heintz van Landewyck (Bentley, Ducal).

Der VDC: Für die Tabakindustrie ist die Einigung nicht zum Lachen. Jedoch führt der Verband der Cigarettenindustrie VDC nicht den ersten Abwehrkampf. Und: Haben nicht auch 1998 Einzelgespräche der Lobbyisten mit Abgeordneten in letzter Minute das Rauchverbote verhindert?

Der Dehoga: Kaum war die Einigung verkündet, hat der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga das Feilschen begonnen. Das Rauchverbot für Speisebetriebe stelle ihn „nicht ganz zufrieden“. Das Rauchverbot für Diskotheken sei „nicht akzeptabel“. Wirte sind oft Meinungsführer in Orten, in denen das Leben von Abgeordneten außerhalb der Berliner Sitzungswochen spielt. Also: Verhandelt wird erst noch. LÖW