: Militärs: „Haltlose Anschuldigung“
Philippinische Armee bestreitet Verwicklung in politische Morde. Präsidentin Arroyo will Sondergerichte einrichten. Kritiker halten das für ein leeres Versprechen
BANGKOK taz ■ Nachdem zwei voneinander unabhängige Untersuchungen auf den Philippinen die Armee in Verbindung mit hunderten extralegalen Hinrichtungen gebracht haben, mehren sich die Forderungen nach politischen Konsequenzen. Das Linksbündnis Bayan forderte gestern den Rücktritt von Armeechef Hermogenes Esperon und des nationalen Sicherheitsberaters Norberto Gonzales: „Esperon und Gonzales stehen bei den Attacken auf Aktivisten und Gruppierungen ganz vorne“, so der „Bayan“-Präsident und Kongressabgeordnete Satur Ocampo gestern in Manila. Präsidentin Gloria Arroyo habe zwei Möglichkeiten, sagte Ocampo weiter: Entweder auf der Seite der Mörder zu sein oder konkrete Maßnahmen gegen sie zu ergreifen. Die „hysterische Reaktion“ von Armeechef Esperon auf den Bericht des UN-Sonderberichterstatters Philip Alston sei bezeichnend, so Ocampo. Der UN-Vertreter hatte nach seiner zehntägigen Untersuchung schwere Vorwürfe gegen das Militär erhoben. Es verharre in einem „Zustand der Leugnung“, obwohl es zwingende Argumente gebe, welche die Verantwortlichkeit der Armee für viele Morde belegten, so Alston. Daraufhin hatte Esperon zurückgeschlagen: Der UN-Report sei eine „haltlose Anschuldigung“. Schließlich habe die Armee Beweise dafür vorgelegt, dass kommunistische Rebellen hinter vielen politischen Morden steckten.
Auf massiven Druck hatte schließlich auch die von Präsidentin Arroyo im August 2006 eingesetzte Kommission unter Ex-Richter Jose Melo ihren bislang unter Verschluss gehaltenen Untersuchungsbericht veröffentlicht. Auch darin heißt es, Offiziere der philippinischen Armee hätten politische Morde „erlaubt, toleriert und sogar gefördert“. Allerdings benennt der „Melo-Bericht“ nur einzelne Militärs als Verantwortliche. Kritiker gehen jedoch davon aus, dass weite Teile der Armee hinter den systematischen Anschlägen stecken.
Auch international mehrt sich der Druck, die Welle der politisch motivierten Gewalt noch vor den Legislativ- und Lokalwahlen im Mai zu beenden. Amnesty international (ai) erklärte gestern, die Beweislage sei zu erdrückend, als dass sie noch länger ignoriert werden könne. Präsidentin Arroyo hat nun einen „Sechspunkteplan“ angekündigt. Dieser sieht die Etablierung spezieller Gerichtshöfe vor. Allerdings fehle es dafür noch an Mechanismen, wie beispielsweise einem effektiven Zeugenschutzprogramm, wie ai moniert.
Dass der philippinischen Regierung tatsächlich daran gelegen ist, die Morde juristisch aufzuarbeiten, ist zweifelhaft. In den Augen von Kritikern hat die von Wahlbetrugsvorwürfen geplagte Präsidentin längst jede moralische Autorität verloren. Menschenrechtler besorgt außerdem das jüngst verabschiedete und von Arroyo gepriesene Antiterrorgesetz. Demnach ist es Sicherheitskräften erlaubt, Verdächtige bis zu drei Tage ohne formelle Anschuldigung festzunehmen. Kritiker befürchten, dass Arroyo mit diesem neuen Gesetz hauptsächlich ihre innenpolitischen Gegner in Schach halten will. NICOLA GLASS