: Damit sich auf dem Land nichts ändert
Der Deutsche Bauernverband gründet eine Stiftung zum Erhalt der Kulturlandschaft außerhalb der Städte. Umweltschützer halten das aber für Etikettenschwindel und werten das Engagement lediglich als grünes Deckmäntelchen der Agrarlobby
VON HANNA GERSMANN
Die Bauern wollen die Dörfer, Wiesen und Äcker retten – auf ihre Art. Gestern präsentierte sich zum ersten Mal die Deutsche Stiftung Kulturlandschaft. Sie wird finanziert vom Deutschen Bauernverband. Er hat das Stiftungskapital von 50.000 Euro gezahlt. Mit dem Geld soll das „Leben auf dem Lande geschützt werden“. Doch selten wird eine Stiftungsgründung so scharf kritisiert wie diese.
„Der Deutsche Bauernverband gaukelt nur vor, er wolle etwas für gesundes Essen und die Umwelt tun“, schimpft Ulrich Jasper von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Und Florian Schöne, Agrarexperte des Naturschutzbunds Nabu, meint: „Die Stiftung fungiert als grünes Deckmäntelchen der Agrarlobby.“ Sie wolle den Naturschutz neu definieren – aus Sicht der Bauern und Jäger. „Ökologischen Sachverstand“ lasse die Stiftung „vermissen“.
Die Fakten: Der Vorstand der Stiftung, die sich „Landschafft“ nennt, besteht aus drei Leuten. Das sind: Angelika Westerwelle, sie hat bislang einen Agrarhandel geleitet, Helmut Born, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, und Friedhelm Farthmann, einst SPD-Sozialminister in Nordrhein-Westfalen und passionierter Jäger. Ihre Ziele: „Unsere Kulturlandschaft so weit wie möglich bewahren.“
Eifel, Lausitz oder Ostfriesland seien bislang „unterschätzt“, erklärte Westerwelle. Städter hätten entweder das verklärte Bild von „grünen Wiesen, Kühen und blauem Himmel“ im Kopf. Oder sie verbänden mit dem Landleben „provinzielle Enge“. Land sei aber „viel mehr“.
So lebten rund 80 Prozent der deutschen Bevölkerung auf dem Land. Von dort stamme knapp 60 Prozent der Wirtschaftsleistung Deutschlands. Es gebe dort 23 Millionen Arbeitsplätze. Doch die Politik, so meinte Westerwelle, „denkt städtisch“ – und kümmere sich zu wenig. Deshalb vergreisten zum Beispiel die Dörfer.
Westerwelle sagte: Eine Kulturlandschaft „hat nur ihren Reiz, wenn dort gelebt wird“. So fordert die Stiftung zum Beispiel Straßen und Breitbandverkabelung auf dem Lande – und „Naturschutz durch Nutzung“. Denn Bauern entschieden schon seit 2.000 Jahren, wie sie ihr Land am besten bebauen. „Auch sie haben es lieb“, sagt Westerwelle.
Als Naturlandschaft gelten in Mitteleuropa tatsächlich nur noch das Wattenmeer, ein paar Plätze in den Alpen oder Hochmoore, erklärt Landschaftsökologin Ilke Marschall von der Universität Potsdam. Fast jeden Fleck hätten die Bauern schon beackert. Dabei sind Streuobstwiesen oder Hecken entstanden. Auch Naturschützer wie Florian Schöne halten sie für „schützenswert“, weil sich dort Vögel und Insekten wohlfühlen.
Trotzdem, so sagt Schöne, darf die „Natur nicht den Bauern überlassen werden“. Das zeige die Erfahrung der letzten fünfzig Jahre. Landwirte töteten mit großen Treckern und Ackergiften „die Vielfalt in der Kulturlandschaft“. Und Einsicht zeigten sie nicht. Darüber könne auch die Stiftung Kulturlandschaft nicht hinwegtäuschen.