piwik no script img

portraitWestafrikas neuer Wunderheiler

Die Welt hat einen neuen Helden. Gambias Präsident Yaya Jammeh, bisher auf der internationalen Bühne nicht sonderlich aufgefallen, heilt Aids. Mit seinem Geheimrezept könnten alle Aidskranken der Welt innerhalb von drei Tagen gesunden, sagte der 42-jährige Staatschef kürzlich zum 42. Unabhängigkeitstag seines Landes. Als die Regionalchefin des UN-Entwicklungsprogramms UNDP das anzweifelte, wurde sie letzte Woche des Landes verwiesen. Der Direktor des nationalen Aidsprogramms und der des UN-Aidsfonds in Gambia sind schon zurückgetreten.

9 Geheilte im Januar, 27 im Februar – das ist die bisherige Bilanz von Jammehs Wunderkur, glaubt man staatstreuen gambischen Medien. Die Behandlung geht so: Der Präsident schließt die Augen und betet. Dann reibt er eine grüne Kräuterpaste auf die Brust des Patienten und bespritzt ihn mit einer grauen Flüssigkeit. Der Patient trinkt einen gelben Tee und isst zwei Bananen. Das alles wird mehrmals öffentlich wiederholt; zwischendurch wohnen die Kranken in einem abgeschotteten Spezialgelände. „Unabhängige“ Ärzte messen nach der Behandlung im Nachbarland Senegal die Blutwerte der Patienten. Angeblich sei der HI-Virus bei den meisten hinterher nicht mehr nachweisbar. Ob er es vorher war, wurde nicht bekannt.

Gambia überschlägt sich vor Triumph. „Diese Erfindung Yayas ist die größte Erfindung, die unsere moderne Welt je erlebt hat“, lobt die gambische Tageszeitung Daily Observer und schlägt vor, Jammeh per Verfassungsänderung zum König zu adeln. „Aus dem Dunklen Kontinent Afrika ist das Kind des Universums geboren“, freut sich der Kommentator: „Bald werden Millionen von Aidspatienten nach Gambia kommen.“

Dazu druckt die Zeitung ein Gedicht: „Über die Meere, über die Berge / Erschien die Nachricht allen Ländern / Dass Yaya Jammeh, der Gambia-Präsident / Die monströse Bestie getötet hat … / Schwenkt die Fahne, unsere Gambia-Fahne / Schwenkt sie hoch in die Luft! / Und wir alle sagen: Bravo, Yaya /Danke, Yaya, die Welt ist gerettet.“

Gambische Intellektuelle fragen sich nun besorgt, ob ihr Präsident verrückt geworden sei. Der muslimische Armeekapitän Jammeh, der sich 1994 im Alter von 30 Jahren an die Macht putschte und sich seit 1996 dreimal in Wahlen bestätigen ließ, wies schon bei seiner letzten Wiederwahl 2006 darauf hin, nur Gott könne ihn entmachten, nicht das Volk. Willkürherrschaft und ruppiger Umgang mit Kritikern sind die Gambier von ihrem Führer, einem engen Freund der brutalen einstigen nigerianischen Militärdiktatoren, gewohnt. Größenwahn ist eine neue Erfahrung. DOMINIC JOHNSON

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen