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Archiv-Artikel

Null Toleranz bei Ausrutschern

Die NRW-CDU fordert eine harte Linie gegen jugendliche Straftäter: Sie setzt auf Erziehungscamps und Unterbringung in geschlossenen Heimen. Dem Koalitionspartner gefällt das nicht besonders

VON KLAUS JANSENUND NATALIE WIESMANN

Die neue Kriminalstatistik erscheint zwar erst morgen, aber eins weiß die nordrhein-westfälische CDU schon jetzt: Es wird immer schlimmer. 16.000 Jugendliche wurden im Jahr 2005 wegen Gewalttaten verurteilt – und weil für 2006 ein weiterer Anstieg erwartet wird, wollen die Christdemokraten mit neuer Härte gegen halbwüchsige Kriminelle vorgehen.

Ein der taz vorliegender Entwurf für die Reform des NRW-Jugenstrafrechts und den Jugendschutz sieht unter anderem die Unterbringung von straffälligen Jugendlichen in geschlossenen Heimen und Erziehungscamps vor. Ausdrücklich beruft sich die CDU zur Begründung auf das Vorbild von Einrichtungen, die durch Doku-Soaps im Privatfernsehen bekannt geworden sind (siehe unten). „Gerade bei jungen Straftätern müssen wir härter durchgreifen, um sie auf den richtigen Weg zurück zu bringen. Deswegen gilt: Null Toleranz“, sagte Generalsekretär Hendrik Wüst. „Wir müssen viel häufiger mit dem eisernen Besen kehren und für Recht und Ordnung sorgen.“

Am 5. Mai soll der Landesparteitag das Konzept mit dem Titel „Jugend schützen. Härter durchgreifen. Gewalt bekämpfen“ beraten. Was den Delegierten vorgelegt wird, existiert in dieser Form bislang nur im konservativen Süden der Republik: Für 18- bis 21-jährige soll generell das Erwachsenenstrafrecht angewendet werden, die Polizei soll noch häufiger als bisher Schulschwänzer einfangen, die Verbreitung von Drogen und Pornografie eingedämmt werden. Es gelte unter anderem, die „sexuelle Verwahrlosung“ von Kindern und Jugendlichen zu stoppen, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Peter Biesenbach.

Zahlreiche Vorschläge sind jedoch sowohl in der Koalition als auch in der Union umstritten. Familienminister Armin Laschet etwa lehnt das vom Parteivorstand geforderte generelle Verbot für so genannte Killerspiele ab und will statt dessen die freiwillige Selbstkontrolle stärken. Der Minister liegt damit auf einer Linie mit der FDP: „Einiges in dem CDU-Papier ist weit entfernt vom Regierungshandeln“, sagte FDP-Generalsekretär Christian Lindner der taz. Das Papier sehe er als Versuch der NRW-CDU, sich parteiintern als Hardliner nach bayerischem Vorbild zu profilieren. Auch die zuständige Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter reagierte verhalten auf die Ideen ihrer Parteifreunde: „Die Vorschläge werden in unsere Arbeit einfließen“, erklärte sie auf Anfrage.

Tatsächlich hat die Ministerin bereits vor ihrer Partei eigene Initiativen zur Eindämmung der Jugendkriminalität gestartet. Im November vergangenen Jahres etwa stellte sie gemeinsam mit ihrem Kabinettskollegen Laschet einen 20-Punkte-Katalog vor, mit dem unter anderem frühe Sprachförderung, aber auch Gewaltprävention durch Sport gefördert werden soll. Zudem setzt die Ministerin auf präventiv abschreckende Aktionen wie die „gelbe Karte“, mit der Jugendliche auch nach Kleinstdelikten zu gemeinnütziger Arbeit aufgefordert werden können. Kommen die Heranwachsenden dem nicht nach, folgt automatisch die „rote Karte“ – also eine Vorführung beim Jugendrichter, der einen Arrest oder eine Jugendstrafe verfügen kann.

Die Opposition wies den Vorstoß der Union zurück: Vieles von dem, was nun gefordert wäre, sei bereits mit geltendem Recht machbar, sagte der SPD-Abgeordnete Thomas Kutschaty. Mit dem Ruf nach Erziehungscamps und Heimen wolle die CDU zudem von den „erschreckenden Verhältnissen“ im NRW-Jugendstrafvollzug in Folge des Foltermords von Siegburg ablenken. Auch die grüne Rechtspolitikerin Monika Düker wandte sich gegen das Wegsperren von Nachwuchstätern: „Kinderknäste lehnen wir ab.“