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Archiv-Artikel

Aus für rollende Überwachungskameras

VERKEHR Filmen, um bei einem Unfall Beweise zu haben? Ein Gericht hat das nun untersagt

FREIBURG/BERLIN taz | Motorradfahrer, die über rote Ampeln rasen, Frontalzusammenstöße und auch ein Meteorit – spektakuläre Bilder auf Videoportalen, aufgenommen von hinter die Frontscheibe von Autos montierten Kameras. Die sogenannten Dashcams oder Onboard Cameras sind vor allem in Russland beliebt. Viele Autofahrer filmen dort das gesamte Verkehrsgeschehen, um bei einem Unfall einen handfesten Beweis für die eigene Unschuld zu haben.

Spätestens mit den ungeplant per Dashcam angefertigten Meteoritenaufnahmen sind die Kameras auch in Deutschland bekannt geworden. Doch das Verwaltungsgericht Ansbach hat die Nutzung hierzulande nun untersagt. Zumindest, wenn die Aufnahmen später als Beweis dienen oder veröffentlicht werden sollen.

Ausgelöst hat das Verfahren ein fränkischer Rechtsanwalt, der in seinem Fahrzeug eine Kamera installiert hatte. 22 Mal hatte er bei der Polizei andere Verkehrsteilnehmer wegen Fehlverhaltens angezeigt – und dabei mehrfach Aufnahmen seiner Dashcam als Beweis vorgelegt. Die Polizei fragte beim Bayerischen Landesamt für Datenschutzaufsicht nach, ob der Anwalt hier überhaupt legal handelt. Daraufhin untersagte das Amt dem Autofahrer den Einsatz der „Armaturenbrett“-Kamera und forderte ihn zur Löschung seiner Aufnahmen auf – der Anwalt klagte dagegen.

Warnung hilft nicht

Das Verwaltungsgericht Ansbach entschied nun: Dashcam-Aufnahmen, die später weitergegeben oder veröffentlicht werden sollen, sind generell rechtswidrig. Die nach dem Bundesdatenschutzgesetz erforderliche Abwägung ergebe, dass das Persönlichkeitsrecht der Passanten, die von den Aufnahmen betroffenen sind, überwiege. Das Gesetz lasse grundsätzlich heimliche Aufnahmen von unbeteiligten Dritten nicht zu. „Es würde dem Autofahrer aber auch nichts nutzen, wenn er ein Schild ‚Achtung Videoüberwachung‘ auf seine Windschutzscheibe klebt“, stellte der Pressesprecher des Gerichts, Peter Burgdorf, klar. Dass im konkreten Fall der Autofahrer wegen eines Formfehlers der Behörde Recht bekam, ändert nichts an der grundsätzlichen Entscheidung des Gerichts.

Dennoch ist das Filmen aus einem Auto nicht immer verboten. „Nur, wer die Aufnahmen ausschließlich zum privaten Betrachten macht, handelt legal“, sagt Thomas Kranig, der Leiter des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht. Also: Das Filmen geht in Ordnung, wenn das Produkt nicht auf YouTube oder bei der Polizei landet, sondern nur im eigenen Archiv.

Daher wird es – sollte das Urteil Bestand haben – schwer werden, die Rechtslage durchzusetzen. Künftig könnte jeder Dashcam-Nutzer behaupten, er filme nur Straßenimpressionen zum persönlichen Gebrauch. Zumal das Amtsgericht München die Verwertung eines ähnlichen Videos erlaubt hatte. Damals ging es um eine am Fahrrad montierte Kamera. Allerdings ging das Gericht davon aus, dass der Fahrer nur für Privatzwecke filmte.

Datenschützer Kranig sieht in der Ansbacher Entscheidung vor allem ein Signal. „Die Leute sollen wissen, dass hier grundsätzlich Persönlichkeitsrechte verletzt werden.“ Ihn ärgere vor allem, dass Dashcam-Aufnahmen trotz Verbot regelmäßig auf YouTube veröffentlicht werden.

CHRISTIAN RATH, SVENJA BERGT