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Archiv-Artikel

Rumstehen, rauchen – Anklage

KUGELBOMBENPROZESS

Das sagt einiges aus über die Schwierigkeiten, die Polizeizeugen für einen fairen Gerichtsprozess bedeuten

Der Saal 500 im Landgericht Berlin wirkt so seriös und würdevoll, wie man das von einem Gerichtssaal erwartet. In der vergangenen Woche spielte sich dort allerdings an zwei Tagen ein eher tragikomisches, fast schon peinliches Schauspiel ab: Die Auftakttermine im Prozess gegen die mutmaßlichen Täter des Kugelbombenanschlags auf Polizisten während einer linken Demo im Jahr 2010 sagen einiges aus über die – vorsichtig ausgedrückt – Schwierigkeiten, die Polizeizeugen für einen fairen Gerichtsprozess bedeuten.

Zwei als Zeugen auftretende Zivilpolizisten, für ihre Aussagen aus Angst vor „Prozessbeobachtern aus der Szene“ mit Theaterschminke verkleidet, verheddern sich immer wieder in den Widersprüchen, die sich zwischen ihren eigenen Aussagen sowie gegenüber den Angaben des jeweils anderen Zeugen auftun. Die beiden hatten die Festnahme der drei Beschuldigten angeordnet – aus einem „Bauchgefühl“ heraus, wie sie selbst sagen.

Die drei hätten sich „anders als der Rest der Demonstranten“ verhalten, als der Sprengkörper damals mit einem gewaltigen Knall auf der Torstraße explodierte und 14 Polizisten verletzte. „Abgeklärt“ geschaut hätten sie, ihre „Köpfe in freudiger Erwartung zusammengesteckt“. Kurze Zeit nach der Detonation dann hätten die drei sich eine Zigarette angezündet, für einen der Zeugen ganz klar: das „Kippchen danach“. Anschließend demonstrierten sie weiter, übrigens ohne sich umzuziehen, bis sie am Alexanderplatz schließlich auf Geheiß der beiden Zivilpolizisten festgenommen wurden.

Man könnte über solch wirre Behauptungen lachen – wenn die drei Beschuldigten nicht wegen versuchten Mordes angeklagt wären und im Falle einer Verurteilung nicht mit hohen Haftstrafen rechnen müssten. Sicher: Noch sind nicht alle Zeugen gehört, ein abschließendes Urteil kann noch nicht gefällt werden. Aber dass es für eine Festnahme und sogar Anklage offenbar reicht, sich während einer Demonstration in der Nähe einer Straftat aufzuhalten, dort miteinander zu reden und vielleicht eine Zigarette zu rauchen, das sollte einen erschrecken – egal wie dieser Prozess ausgeht.

MALENE GÜRGEN