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Archiv-Artikel

„Es gibt immer Gegengutachten“

Der SPD-Abgeordnete Lothar Binding gibt den Nichtraucherschutz nicht verloren. Er droht mit fraktionsübergreifenden Mehrheiten für einen strikter formulierten Gruppenantrag

Von LÖW

taz: Herr Binding, Sie sind mit Ihrer Kompromisssuche für den Nichtraucherschutz auf die Nase gefallen. Wie konnte das passieren?

Lothar Binding: Noch stehen alle Türen offen. Und wenn der Kompromiss platzt, gibt es immer noch unseren fraktionsübergreifenden Gruppenantrag. Er hat den großen Vorteil, dass er keine Ausnahmen bei den Rauchverboten in der Gastronomie vorsieht. Auch deshalb, weil einige gerade die Ausnahmen für rechtlich problematisch halten.

Sie sehen die rechtlichen Probleme nicht?

Die Frage ist, ob die Verfassungsfragen überhaupt noch ernsthaft zu diskutieren sind. Der Frankfurter Uniprofessor Helmut Siekmann und der wissenschaftliche Dienst des Bundestages haben gezeigt, dass für die Abwehr gemeingefährlicher Krankheiten der Bund zuständig ist.

Innen- und Justizministerium bestreiten, dass man die Gefahren des Rauchens für eine gemeingefährliche Krankheit halten kann, schon seit Oktober. War es nicht naiv, diese Bedenken beiseitezuschieben?

Es gibt zwar eine verwirrende Gutachtenlage, aber für jedes Gutachten gibt es ein Gegengutachten, für jeden Experten einen, der das Gegenteil behauptet.

Werden Sie versuchen, die bundeseinheitlichen Rauchverbote statt über den Gesundheitsschutz über den Arbeitsschutz durchzusetzen?

Bei der Arbeitsstättenverordnung haben wir eine unstrittige Zuständigkeit. Wenn wir auf den Kompromiss verzichten müssen, könnten wir den Gruppenantrag auf die Tagesordnung setzen und damit die Regierung mit klaren Regelungen beauftragen.

Wenn die Kompromisssuche scheitert, suchen Sie also Mehrheiten auch jenseits der Koalitionsfraktionen?

Den Gruppenantrag haben ja schon die Mehrheit der Kollegen aus meiner Fraktion, aber auch Abgeordnete von Union und der Linken unterzeichnet. Die Grünen wollen im Prinzip dasselbe. Sie haben noch nicht unterschrieben, weil sie einen eigenen Antrag formuliert haben. Wenn der Antrag eine Mehrheit aus der Mitte des Parlaments heraus fände, würde das nur die Meinung der Bevölkerung widerspiegeln. 75 Prozent befürworten Rauchverbote. INTERVIEW: LÖW