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Archiv-Artikel

Schlechte Aussichten für Schwärme

FINANZEN Die Regierung will mit dem Kleinanlegerschutzgesetz das Vertrauen in Geldanlagen stärken. Doch nun geht die Crowdfunding-Branche auf die Barrikaden, weil sie die Bürokratie fürchtet

Statt Überweisung am Computer müssen Investoren jetzt ein Infoblatt ausfüllen

BERLIN taz | Solar Millennium, Lehmann Brothers, Prokon. Wer als Kleinanleger sein Geld nicht unter dem Kopfkissen bunkern wollte, hatte in den vergangenen Jahren immer mal wieder das Nachsehen. Mal mehr, mal weniger absehbar. Während sich bei Prokon schon einige Zeit andeutete, dass es Probleme geben würde, wussten zahlreiche Bankkunden nicht einmal, dass ihr Geld in den als sicher versprochenen Fonds auch Zertifikaten von Lehman Brothers landete.

Mit einem Kleinanlegerschutzgesetz will die Bundesregierung jetzt für mehr Vertrauen in Geldanlagen sorgen und unter anderem vorschreiben, dass Anleger besser informiert werden müssen. Seit Ende Juli liegt der Referentenentwurf vor. Aber ein Teil der Finanzbranche geht auf die Barrikaden: die Crowdfinanzierer.

Crowdfunding und Crowdinvesting – das gemeinschaftliche Finanzieren von Projekten durch viele kleine Anleger – hat in den vergangenen Jahren auch in Deutschland zugenommen. Zwischen den beiden Formen gibt es nur einen kleinen Unterschied: Während Anleger beim Crowdfunding in der Regel nur einen symbolischen Ertrag erhalten – etwa nach der Mitfinanzierung eines Films des Streifens auf DVD –, hoffen Anleger beim Crowdinvesting auf den großen Wurf. Denn sie bekommen beispielsweise Unternehmensanteile, profitieren also, wenn das Geschäft gut läuft. Im ersten Halbjahr 2014 haben Start-ups hierzulande laut Berechnungen des Branchenportals Für Gründer über die Crowd 8,3 Millionen Euro eingesammelt – fast 60 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Im ersten Halbjahr 2012 waren es noch gut 600.000 Euro.

Angesichts des Gesetzentwurfs sind es nun die Anbieter der Crowdfinanzierung, die um ihr Geschäft fürchten. Denn sie leben davon, dass Gründer bei ihnen Geld sammeln und dafür eine Provision zahlen. David Rhotert, Gründer der Plattform Companisto, bezeichnet die Pläne der Bundesregierung als „bürokratischen Rückschritt“, der die gesamte Branche bedrohe.

Zunächst mache das Gesetz einen rein digitalen Beteiligungsprozess unmöglich, kritisiert Rhotert. Bislang können Nutzer ihr Investment am Computer abschließen – künftig müssen sie ein Infoblatt zeichnen, sobald sie mehr als 250 Euro investieren wollen. Bei einem weiteren Punkt sieht das Gesetz eigentlich Ausnahmen für Crowdfinanzierer vor. Liegt die Gesamtinvestitionssumme unter einer Million Euro, sind sie von der Pflicht befreit, einen Verkaufsprospekt zu erstellen. Doch Rhotert ist das nicht genug. „Die Limitierung ist willkürlich und nicht nachvollziehbar“, kritisiert er. In Großbritannien liege das Limit bei 5 Millionen Pfund (etwa 6,2 Millionen Euro), diese Summe befürwortet auch das German Crowdfunding Network. Den geforderten Prospekt zu erstellen koste zwischen 30.000 und 50.000 Euro – Kosten, die auf die Investoren umgelegt würden.

„Der schlimmste Punkt ist das Werbeverbot“, sagt Karsten Wenzlaff vom German Crowdfunding Network. Das Gesetz sieht vor, dass Werbung nur in Wirtschaftsmedien oder -sendungen geschaltet werden darf. Wentzlaff befürchtet aber, dass damit auch Werbung über soziale Netzwerke oder auf Webseiten zum Problem wird.

Markus Feck, Finanzjurist von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, sieht die Kritik der Crowdfinanzierer mit gemischten Gefühlen. So hält er die Prospektpflicht ab einer Million Euro für sinnvoll im Sinne des Verbraucherschutzes. Bei der Werbung schlägt er ein alternatives Modell vor: entweder in Wirtschaftsmedien, wo die Leser wissen, was sie da vor sich haben. Oder mit einem Pflichtsatz, der auf das Risiko des Komplettverlusts hinweist. Eine Unterschrift ab einem Investment von mehr als 250 Euro sieht allerdings auch Feck kritisch. „Unterschriften unter Infoblätter sind im Zweifel nachteilig für den Kunden.“

Noch ist das Gesetz im Entwurfsstadium – bis Anfang September können die Verbände ihre Stellungnahmen abgeben. Im Frühjahr nächsten Jahres soll das Gesetz verabschiedet werden.

SVENJA BERGT