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Archiv-Artikel

„Bayern ungerecht wie Ecuador“

Auf einem Kongress mit 800 Schülern fordert Schülervertreter Ziebertz: Haupt- und Realschule müssen zusammengelegt werden, später soll Gymnasium dazukommen

taz: Christian, ihr habt in Nürnberg mit Schülervertretern über die Zukunft der bayerischen Schule nachgedacht. Was gibt es zu deuteln am besten Schulsystem in Deutschland?

Christian Ziebertz: Offenbar eine Menge. 800 Schülerinnen und Schüler waren da. Unsere Perspektive ist die, dass Bayern auch das ungerechteste System in Deutschland hat. Es steht ja auch im Bericht des UN-Sonderbotschafters für das Recht auf Bildung, Vernor Muñoz, dass die dreigliedrige Schule überdacht werden soll. Die Chancenungerechtigkeit ist in Bayern so groß wie in Ecuador.

Die Zahl der Risikoschüler, die Bayern produziert, ist aber sehr klein. Nirgendwo in Deutschland sind es weniger.

Aber das Kind eines Akademikers hat eine 6,7-mal größere Chance, aufs Gymnasium zu kommen, als ein Arbeiterkind. Es ist – trotz aller Leistungen der bayerischen Schule – nicht akzeptabel, dass die Herkunft so stark über die Zukunft eines Kindes entscheidet.

Was muss anders werden?

Es hat keinen Sinn, schon nach der vierten Klasse die Schüler auf verschiedene Schultypen aufzuteilen. Wir wollen eine „Schule für alle“. Wir Schüler fordern diese Schule seit Jahren.

Der bayerische Kultusminister Siegfried Schneider sagt, das System sei durchlässig.

Es wird immer von Durchlässigkeit geredet, aber die gibt es nur nach unten. Auf die Prüfungen, die man für den Aufstieg ins Gymnasium bräuchte, wird man weder in der Haupt- noch in der Realschule vorbereitet.

Kennst du denn welche, die den Aufstieg gepackt haben?

Ich kenne welche – aber noch mehr, die es nicht geschafft haben.

Du gehst selbst aufs Gymnasium, das nicht gerade als Krisengebiet gilt. Was soll mit den Hauptschulen geschehen?

Ich wäre dafür, sie mit den Realschulen zusammenzulegen. Das muss schrittweise gehen, irgendwann in fünf oder zehn Jahren kommt das Gymnasium auch dazu. Zur „Schule für alle“ kommt man nicht von heute auf morgen.

Glaubst du, dass deine Gymnasiastenfreunde mit Hauptschülern zusammen lernen würden?

Warum nicht, in der Grundschule geht das ja auch.

Würdest du selber die Schulbank mit einem Hauptschüler teilen?

Ja.

Schon mal probiert?

In der Schule nicht, aber in der Schülervertretung arbeiten wir alle zusammen: Haupt- und Realschüler sowie Gymnasiasten. Kein Problem.

Kommt ihr mit eurem Kongress jetzt nicht ein bisschen spät – der Kultusminister hat doch längst mit Schülern über die Zukunft der Schule geredet?

Es gab kürzlich einen mehrtägigen Workshop im Ministerium zur Zukunft der Schule. Anwesend war eine Schülervertretung – allerdings nur die eines einzelnen Münchener Gymnasiums.

INTERVIEW: CHRISTIAN FÜLLER