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Archiv-Artikel

Offensive gegen die Extremisten vom Islamischen Staat

KRIEG Die irakische Armee versucht die radikalen Islamisten aus Saddam Husseins Heimatstadt Tikrit zu vertreiben. Viele Opfer unter schiitischen Milizionären

Bombardements treffen häufiger Zivilisten als Extremisten. Viele Einwohner sind deshalb aus Tikrit geflohen

ISTANBUL taz | Die irakische Armee hat am frühen Dienstagmorgen eine Bodenoffensive auf die Großstadt Tikrit gestartet. Es ist der dritte Anlauf, die zentralirakische Stadt zurückzuerobern, die schon seit dem 11. Juni vom Islamischen Staat (IS) kontrolliert wird. An dem Vorstoß sind auch schiitische Milizionäre beteiligt.

Offenbar setzt die Regierung in Bagdad darauf, dass die Extremisten nach dem Verlust des Mossul-Staudamms genügend geschwächt sind, um sie auch aus der Heimatstadt des ehemaligen Diktators Saddam Hussein zu vertreiben. Doch Tikrit ist kein dünn besiedeltes Gebiet wie die Gegend um den Staudamm. Und selbst dort brauchte es den Einsatz der amerikanischen Luftwaffe, um die islamistischen Extremisten zu schlagen. Von den 68 Luftangriffen seit dem 8. August flogen die Amerikaner 35, also mehr als die Hälfte, gegen IS-Stellungen rund um den Staudamm, wie das Zentralkommando der Streitkräfte mitteilte.

An der Bodenoffensive auf Tikrit ist neben kurdischen Sondereinheiten auch die „Goldene Division“, die Eliteeinheit der irakischen Armee, beteiligt. Diese wurde von den US-Amerikanern nach dem Vorbild ihrer „Special Forces“ aufgebaut. In der Lageeinschätzung, die US-Präsident Barack Obama nach der Schlappe der irakischen Armee im Juni veranlasste, gehörte diese Einheit zu den wenigen, denen die Amerikaner ein gutes Zeugnis ausstellten. In der „Goldenen Division“ kämpfen neben sunnitischen und schiitischen Arabern auch Kurden. Sie wird von dem Kurden Fadhel Berwari kommandiert, der bei seinen Untergebenen in dem Ruft steht, sich weder politischem noch konfessionellem Druck zu beugen.

Der scheidende Ministerpräsident Nuri al-Maliki hatte die Elitetruppe mehr oder weniger zu seiner Spezialwaffe an allen Fronten gemacht, was so weit führte, dass die Soldaten sogar Checkpoints bewachen mussten.

Sobald die Elitetruppe ein Gebiet freigekämpft hatte, fehlte es dann aber an regulären Soldaten, um das Gebiet auch zu halten, wie Offiziere der taz kürzlich sagten. Das ist am Mossul-Staudamm anders. Die Kontrolle übernahmen am Dienstag die Sondereinheiten von der Partei des kurdischen Regionalpräsidenten Masud Barzani. Dabei kam es am Dienstagnachmittag nahe der Talsperre offenbar zu erneuten Kämpfen zwischen Peschmerga-Einheiten und den Extremisten.

An vorderster Front in Tikrit stehen hingegen schiitische Milizionäre, die entweder so gut wie keine Militärausbildung haben oder wegen ihrer Morde an Sunniten berüchtigt sind. Bombardements treffen häufiger Zivilisten als Extremisten. Viele Einwohner sind deshalb aus Tikrit geflohen.

Ob die Offensive am Dienstag erfolgreicher verlief als die vorherigen, bei denen insbesondere die Milizionäre hohe Verluste erlitten, war zunächst unklar. In der Kommandozentrale hieß es, die Truppen seien bis ins Zentrum der Stadt vorgedrungen. Demnach erfolgte die Offensive von zwei Seiten.

Irakische Offiziere berichteten dagegen von heftigem Widerstand der Extremisten. Im Süden gerieten die Soldaten und Milizionäre demnach unter schweres Maschinengewehr- und Artilleriefeuer, während Scharfschützen und Sprengfallen den Vormarsch im Westen verhinderten. Nach Angaben von Einwohnern befand sich Tikrit weiterhin fest in der Hand der Extremisten vom Islamischen Staat. INGA ROGG