Eine Toilette zum Geburtstag

DOKU-POSSE Der umstrittene Dramatiker Rolf Hochhuth wird heute 80. Das Jüdische Theater Berlin gratuliert mit dem Zweiakter „Gasherd und Klistiere“

Der ergraute Mann im schwarzen Mantel ist begeistert. „Fabelhaft“ sei das alles gewesen – „ein Gesamtkunstwerk“. Dass Rolf Hochhuth sich schnell mal in Rage redet, ist nun keine Überraschung mehr. Nur ist der Anlass in einem Neuköllner Hinterhof ein freudiger und Hochhuths Privatfeind Claus Peymann, Intendant des Berliner Ensembles, sitzt zeitgleich beim Publikumsgespräch, weit weg am Schiffbauerdamm. Der Intendant vor Ort, Dan Lahav, ist jedenfalls sichtlich wohlwollend eingestellt. Pünktlich zum 80. Geburtstag des Dramatikers gibt es als Präsent eine „Welturaufführung“ von Hochhuths Stück „Gasherd und Klistiere“.

Der Zweiakter thematisiert, beginnend als „Requiem“, die letzten Stunden der jüdischen Familie des „arischen“ Schriftstellers Jochen Klepper vor dem gemeinsamen Suizid im Dezember 1942, denn Kleppers Frau und Tochter droht die Deportation. Darauf folgen als „Posse“ die Verdauungsprobleme Adolf Hitlers, denen sich sein phlegmatischer Leibarzt Morell annimmt. Als kommentierende Erzählinstanz fungiert ein neben der Bühne platzierter „Geschichtsstudent“.

Politisches Dokumentartheater also, wie man es von Rolf Hochhuth kennt, dessen berühmter Erstling „Der Stellvertreter“ 1963 den streitbaren Ruf des Schriftstellers als Moralist und mahnender Provokateur begründete. Das Drama um den während der NS-Diktatur amtierenden Papst Pius XII. und seine äußerst schweigsame Haltung zur systematischen Vernichtung der Juden in Europa durch die Nazis sorgte hierzulande und international für Kontroversen. Das Thema genießt seit Jahren wieder Brisanz, da der Vatikan die Seligsprechung von Pius XII. vorantreibt.

Es folgt ein umfangreiches dramatisches Werk: Hochhuth arbeitet sich an politischem und gesellschaftlichem Zeitgeschehen ab. 1979 setzt er sich im Stück „Die Ärztinnen“ mit der forschungswütigen Pharmaindustrie auseinander. „Wessis in Weimar“ thematisiert 1993 die sozialen Folgen der deutschen Wiedervereinigung am tragischen Beispiel ostdeutscher Protagonisten. Zudem wird im Prolog die Ermordung des Treuhandvorsitzenden Detlev Rohwedder 1991 durch die RAF vermeintlich gerechtfertigt. Darauf reagierte die Bundesregierung um Helmut Kohl bereits vor der Aufführung mit harscher Kritik.

Neben Kapitalismusdebatten – etwa in „McKinsey kommt“ 2004 – bleibt für Rolf Hochhuth die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in Deutschland ein zentraler Bestandteil seiner dramatischen Arbeit. Markant war Ende der siebziger Jahre Hochhuths Konflikt mit dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger über dessen Richtertätigkeit im Dritten Reich. Filbinger musste schließlich zurücktreten.

Im Jahr 2005 sorgte der Schriftsteller mit widersprüchlichen Äußerungen über den britischen Holocaustleugner David Irving in der rechten Wochenzeitung Junge Freiheit für Furore. Auch wenn er sich später korrigierte, er habe „den Rechten nicht das Wort reden wollen.“ Insofern ist „Gasherd und Klistiere“ eine konsequente Fortführung des gewichtigsten Leitmotivs in der fast 50-jährigen Theaterkarriere von Rolf Hochhuth. Die Inszenierung des Stoffs ist zwar – Regie führte der Intendant Lahav selbst – technisch solide, bleibt aber schwach und provoziert höchstens in Langeweile mündende Genrekonformität. Innovative Momente fehlen. Auch wenn die Leistung des Ensembles des Jüdischen Theaters um GZSZ-„Serienstar“ Wolfgang Bahro als Adolf Hitler bemüht wirkt, mangelt es an glaubwürdig emotionaler Bindung zum Publikum.

Weder die der Realität entlehnte Tragik der Familie Klepper noch die Possenhaftigkeit Hitlers als „groteske und wahnsinnige Figur“ mit Darmbeschwerden („Bei den äußeren Bedrängnissen rede ich nicht gerne über meinen Körper“) hinterlassen einen klaren Eindruck dramatischer Relevanz. Den Höhepunkt setzt da fast das Bühnenbild mit einem beweglichen Toilettenhäuschen, dessen Dach Bahro auch als Redepodium für Volksreden dient. JAN SCHEPER

■„Gasherd und Klistiere“, 1., 2., 7., 14. 4., jeweils 20 Uhr, Jüdisches Theater Berlin