TORNADO-ENTSCHEIDUNG IM BUNDESTAG: DEUTSCHLAND IST BEREITS IM KRIEG : Abschied von einer Lebenslüge
Wenn der Bundestag heute – erwartungsgemäß – dem Einsatz von Aufklärungsflugzeugen in Afghanistan zustimmt, dann treffen die Abgeordneten damit keine grundsätzliche Entscheidung. Sie verabschieden sich lediglich von einer Lebenslüge. Die lautet: Der Westen hilft Afghanistan bei der Demokratisierung und verfolgt außerdem einige Terroristen, also Straftäter. Das ist nicht wahr. Wahr ist vielmehr: In dem Land herrscht seit Jahren Krieg. Und Deutschland ist an diesem Krieg beteiligt.
Die meisten Abgeordneten haben diese Entwicklung vermutlich weder gewollt noch vorhergesehen, als sie 2001 unter dem Eindruck der Anschläge vom 11. September einer deutschen Beteiligung am Militäreinsatz gegen Afghanistan zugestimmt haben. Gewiss: Warnungen gab es genug. Aber zum einen war damals – vor dem Debakel des Irakkrieges – die naive Ansicht noch weit verbreitet, dass sich auch komplexe politische Probleme mit militärischen Mitteln lösen ließen. Und zum anderen überschattete die Furcht vor einem Konflikt mit den USA alle anderen Überlegungen.
Inzwischen ist die Skepsis gegenüber einer derart schlichten Weltsicht gewachsen. Das zeigen die Diskussionen der letzten Wochen. Manche Fehlentscheidungen lassen sich jedoch nicht mehr ohne weiteres korrigieren, wenn sie erst einmal getroffen wurden. Würde Deutschland jetzt die Anforderung nach Tornados zurückweisen, dann bedeutete dies wohl tatsächlich das Ende der Nato. Innerhalb eines Militärbündnisses kann man sich der Beteiligung an einem Angriffskrieg verweigern, der noch nicht begonnen hat. Aber es sprengt jede Allianz, wenn einer der Partner aus einem Krieg aussteigt, der bereits stattfindet.
Die Bundesregierung mag sich nun der Hoffnung hingeben, dass ihr mit dem Einsatz der Tornados wenigstens die Entsendung von Bodentruppen erspart bleibt. Es bleibt abzuwarten, ob wenigstens dieser Optimismus berechtigt ist. Etwas steht bereits fest: Auch der angeblich ruhige Norden ist nicht mehr friedlich. Gestern wurde dort ein deutscher Entwicklungshelfer getötet. Wer das für Zufall hält, kann auch den Einsatz von Tornados in einem Kampfgebiet für eine friedenssichernde Maßnahme halten. BETTINAS GAUS