: Kohledinos zu neuer Technik zwingen
Neue Kraftwerke, die mehr Dreck machen als nötig, sollen nur noch zehn Jahre laufen, fordern Umweltschützer
BERLIN taz ■ Im nordrhein-westfälischen Krefeld wollten sie es nicht haben. Zu offensichtlich war der Widerspruch zwischen der klimapolitischen Debatte und diesem Antrag. Das Sorgenkind: ein Steinkohlekraftwerk, das das Energieunternehmen Trianel und zahlreiche kommunale Unternehmen in der niederrheinischen Stadt bauen wollten. Trianel wird jetzt zwar nicht in Krefeld bauen, womöglich aber in der Stadt Hamm. Diese hat nach der Ablehnung vergangene Woche sofort Interesse an dem Klimaschädling angekündigt. So etwas könnte nur ein bundesweites Verbot von Kohlekraftwerksneubauten verhindern. Das dürfte aber kaum politisch durchsetzbar sein. „Das funktioniert nicht“, sagt Gerd Rosenkranz, Politikreferent der Deutschen Umwelthilfe (DUH).
Diese hat daher gestern einen Vorschlag gemacht, durch den Kohlekraftwerke nur unter Auflagen geduldet werden. Alle neuen Anlagen, die mehr Kohlendioxid ausstoßen als technisch notwendig ist, sollen nach dem Vorschlag in Zukunft auf zehn Jahre befristet genehmigt werden. „Damit würden wir den Betreibern ihre heilige Kuh nehmen, die unbefristete Genehmigung.“
Bislang rauchen die Brennöfen und Schornsteine so lange, bis technisch nichts mehr rauszuholen ist. Bis zu 50 Jahre lang stoßen sie Millionen Tonnen CO2 aus. Dabei soll laut dem jüngsten EU-Beschluss bis zum Jahr 2020 in der Union der CO2-Ausstoß um 20 Prozent gegenüber 1990 sinken. Zurzeit sind laut dem Bund für Umwelt und Naturschutz 26 neue Braun- und Steinkohlekraftwerke in Deutschland geplant: Bis zu 160 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr würden sie auf die bestehenden Emissionen draufsatteln: So viel, wie der gesamte Verkehrssektor heute erzeugt, so Schätzungen der UmweltschützerInnen. „Mit den Neubauten können wir die Klimaschutzziele in Deutschland vergessen“, kritisiert Rainer Baake, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe.
Besonders wenig CO2 produzieren heute moderne Gaskraftwerke. Dort entstehen 365 Gramm des Gases pro Kilowattstunde, knapp die Hälfte der Menge bei der Steinkohle, noch weniger im Vergleich zur Braunkohle, bei deren Verbrennung 950 Gramm CO2 ausgestoßen werden. Nach dem DUH-Vorschlag würden von den konventionellen Stromerzeugern nur noch die Gaskraftwerke unbegrenzt genehmigt.
Alle größeren Schmutzfinken müssten nach der zehnjährigen Genehmigung ihre Anlagen auf den neuesten Stand bringen oder verlören die Betriebserlaubnis. „Kein Mensch zahlt Millionensummen in Anlagen, die nur zehn Jahre laufen“, empört sich eine Sprecherin aus der Elektrizitätswirtschaft über den Vorschlag. Die DUH könnte sich sogar vorstellen, Betreiber zu verpflichten, bestimmte Technologien einzuführen, so Baake. Etwa das sogenannte „Carbon Capture and Storage“-Verfahren (CCS). Dabei wird ein Großteil des Kohlendioxids, das bei der Verbrennung in den Kraftwerken entsteht, abgetrennt und unterirdisch oder unter dem Meeresboden gelagert. Die Technik ist jedoch noch nicht ausgereift und teuer. Mögliche Lagerstätten für das klimaschädliche Gas sind kaum erschlossen. Im Sommer startet der Stromkonzern Vattenfall ein Testprojekt im brandenburgischen Ketzin.
Bis aus solchen Tests konkrete Technologien entstehen, wird es aber noch dauern. Nach aktuellen Studien, etwa vom Umweltbundesamt, ist vor 2020 nicht mit der neuen Technik zu rechnen. Dann muss Deutschland aber sein Sparziel beim CO2 schon erreicht haben. Die wachsende Branche der erneuerbaren Energien, die im vergangenen Jahr einen Anteil von 11,8 Prozent der Stromproduktion hatte, wird der Kohle bis dahin immer größere Konkurrenz machen. Rainer Baake freut sich über den steigenden Druck: „Ohne bessere Technik hat die Kohle keine Zukunft.“ MORITZ SCHRÖDER