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Archiv-Artikel

Inflationsangst setzt sich durch

GELDPOLITIK Trotz der ungelösten Schuldenprobleme erhöht die Europäische Zentralbank den Leitzins. Das könnte die Wirtschaft in den Ländern der Eurozone bremsen, die die Krise noch nicht überwunden haben

FRANKFURT/M. rtr/taz | Mitten in der sich zuspitzenden Schuldenkrise in Europa hat die Europäische Zentralbank die zinspolitische Wende eingeleitet. Unter dem Vorsitz von Präsident Jean-Claude Trichet beschloss der EZB-Rat gestern die erste geldpolitische Straffung seit Ausbruch der Weltfinanzkrise. Sie erhöhte den seit Mai 2009 geltenden Schlüsselzins von 1 Prozent um einen Viertelprozentpunkt. Die Euro-Hüter dürften bald nachlegen und den Zielsatz für Zentralbankgeld bis Jahresende auf 1,75 Prozent treiben.

Die EZB stemmt sich damit gegen die anziehende Teuerung in der Eurozone. Ihren Ratsmitgliedern sitzt vor allem die Furcht im Nacken, dass der Inflationsdruck in wirtschaftlich prosperierenden Ländern wie Deutschland eine Lohn-Preis-Spirale auslösen könnte. Die Teuerungsrate in der Eurozone war zuletzt auf 2,6 Prozent gestiegen und hatte so das EZB-Ziel von knapp 2 Prozent gerissen.

„Angesichts des Inflationsdrucks ist die heutige Zinsentscheidung der EZB nachvollziehbar“, sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Hans Heinrich Driftmann. „Sie trägt zur Stabilisierung der Preise bei und erhöht damit auch die Planungssicherheit für Unternehmen.

Kritik kam dagegen vom Deutschen Gewerkschaftsbund. „Mit der Erhöhung des Leitzinssatzes befindet sich die EZB erneut auf einem geldpolitischen Holzweg“, sagte Bundesvorstand Claus Matecki.

Das Problem: Während vor allem die großen Konzerne in Deutschland eine Verteuerung der Kreditkonditionen verschmerzen können, dürfte dies vielen mittelständischen Unternehmen selbst hierzulande schwerer fallen. Einen echten Dämpfer wird sie jedoch für die Länder in der Eurozone bedeuten, deren Wirtschaft ohnehin noch nicht so richtig aus der Krise gekommen ist.

Im internationalen Vergleich ist die EZB schnell. Die Bank von England hielt ihren Leitzins gestern bei 0,5 Prozent, obwohl die Teuerungsrate mittlerweile auf 4,4 Prozent angewachsen ist. Auch die US-Zentralbank Fed bleibt bei ihrer Nullzinspolitik.