: Halbe Kraft voraus
Die Bahn will ihre Investitionen ins nordrhein-westfälische Bahnnetz halbieren. Kürzungen gehen vor allem auf Kosten neuer Strecken. Kritiker befürchten negative Folgen für Berufspendler
VON HOLGER PAULER
Nordrhein-Westfalen fährt aufs Abstellgleis. Landespolitiker werfen der Deutschen Bahn AG vor, NRW gegenüber anderen Ländern zu benachteiligen. „Die Bahn lässt das Schienennetz verrotten“, sagt der verkehrspolitische Sprecher der grünen Landtagsfraktion, Horst Becker, angesichts geplanter Investitionskürzungen. Leidtragende seien neben der Wirtschaft vor allem die Berufspendler, sagt FDP-Fraktionsvize Christof Rasche. Die Bahn plant, ihre Investitionen für Bahnhöfe sowie Instandhaltung, Streckenneu- und -ausbau des Landes-Netzes von rund 660 Millionen Euro im Jahr 2007 auf 330 Millionen Euro im Jahr 2011 zu halbieren. Die Zahlen wurden gestern dem Verkehrsausschuss vorgelegt.
Grünen-Politiker Becker fordert NRW-Verkehrsminister Oliver Wittke (CDU) auf, den Bahnverkehr zur Chefsache machen: „Es reicht nicht, dass Minister Wittke mit uns zusammen die Bahn kritisiert.“ Es sei dringend notwendig, dass das Land NRW endlich handele und die Bahn in die Pflicht nehme.
„Die Forderungen gehen an der Sache vorbei“, sagt Mirjam Grotjahn, Sprecherin des NRW-Verkehrsministeriums. Die Bahn sei Bundessache, außerdem bezögen sich die angekündigten Kürzungen vor allem auf Investitionen in neue Netze und nicht auf die Instandhaltung. Sie gehe davon aus, dass sich die Bahn an ihre Zusagen in Sachen Rhein-Ruhr-Express (RRX) oder Betuwe-Linie halte. „Die Fehler liegen eindeutig in der Vergangenheit“, so Grotjahn. Die alte Landesregierungen habe etliche Projekte vernachlässigt. „Die Spätfolgen kommen jetzt auf uns zu.“
Die Planungen für den RXX zwischen Dortmund und Köln laufen nach Angaben der Bahn wie vorgesehen weiter. In der Streichliste der Bahn für NRW bis 2011 sei das Projekt nicht genannt, weil es sich bei der Strecke um eine spätere Investition handele, sagte ein Bahnsprecher.
Dennoch wächst der Druck auf die Bahn. Der ehemalige Bahn-Manager Karl-Dieter Bodack hatte im taz-Interview dem Konzern vorgeworfen, er würde zugunsten höherer Gewinne auf die Instandhaltung des Schienennetzes verzichten. „Für den Verkauf der Deutschen Bahn müssen hohe Gewinne ausgewiesen werden. Das geht nur mit Umsatz oder Einsparungen“, so Bodack.
Der Bundesrechnungshof hatte zuvor in einem Prüfbericht festgestellt, dass die Bahn in den vergangenen fünf Jahren 1,5 Milliarden Euro zu wenig in die Infrastruktur investiert habe. Alle vier im Düsseldorfer Landtag vertretenen Fraktion von CDU, SPD, FDP und Grünen hatten daraufhin in einer Aktuellen Stunde einheitlich das Unternehmen aufgefordert, sein Schienennetz zu modernisieren. „Die Landesregierung ist alarmiert“, sagte Verkehrsminister Wittke. Immerhin hat die Bahn AG bereits angekündigt, in den kommenden vier Jahren landesweit etwa 2,7 Milliarden Euro in ein „Pro Netz“ getauftes Sanierungsprogramm zu investieren.