: Hauptmann-Schule: Trostlose Aussichten
FLÜCHTLINGE 2 Millionen Euro Kosten, keine Gespräche, Projektpartner auf Tauchstation
■ Der Grünen-Bezirksstadtrat Hans Panhoff bleibt weiter im Amt. Ein von Piraten und Linkspartei eingebrachter Abwahlantrag gegen den Politiker scheiterte am Mittwochabend in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Statt der für eine Abwahl nötigen Zweidrittelmehrheit von 34 Stimmen unterstützten nur 10 Bezirksverordnete in geheimer Abstimmung den Antrag. Dem gegenüber standen 30 Neinstimmen und 4 Enthaltungen. Von insgesamt 51 Mitgliedern der BVV gaben nur 44 ihre Stimme ab. Linke und Piraten hatten Panhoff für nicht mehr tragbar erachtet, nachdem er Ende Juni Amtshilfe zur Räumung der von Flüchtlingen besetzten Hauptmann-Schule bei der Polizei beantragte. Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann sagte vor der BVV-Abstimmung, sie hätte eine andere Position als Panhoff vertreten und den Räumungsantrag nicht gestellt. Sie lobte Panhoffs Engagement: „Er hat für den Bezirk monatelang seinen Kopf hingehalten.“ (taz)
Der Betrieb der von Flüchtlingen bewohnten Gerhart-Hauptmann-Schule kommt Friedrichshain-Kreuzberg teuer zu stehen. Für Gebäudesicherung, Betriebskosten und Wachschutz für die derzeit immer noch von 45 Flüchtlingen bewohnte Gerhart-Hauptmann-Schule hat der Bezirk allein in diesem Jahr rund 1,5 Millionen Euro ausgegeben. Ende des Jahres könnten es nach Schätzung der grünen Finanzstadträtin Jana Borkamp bereits 2 Millionen Euro sein.
Es sei Zeit, nach vorne zu blicken, sagte Baustadtrat Hans Panhoff (Grüne) am Mittwoch dennoch, nachdem der von Linken und Piraten eingereichte Abwahlantrag gegen ihn gescheitert war. Denn es gibt viel zu tun: Das Vorhaben des Bezirks, in der Schule ein Flüchtlingszentrum mit bis zu 100 Wohnplätzen einzurichten, kommt nicht voran. Panhoff zufolge verweigern die 45 Schulbewohner nach wie vor jegliches Gespräch mit Bezirksamtsvertretern.
Es gebe viele Interessenten für das Projekt, sagte Borkamp am Mittwoch. Auch das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) gehört dazu. Bedingung sei aber, dass die Situation der derzeitigen Hausbewohner „geklärt ist“, so Borkamp.
Im Juli hatten die 45 Flüchtlinge ihren Verbleib in der Schule erkämpft, indem sie das Dach besetzten. Nach der Einigung mit dem Bezirksamt hatte dieses gehofft, dass sich die Situation in der Schule in der zweiten Jahreshälfte entspannen würde. Das Gegenteil ist nun jedoch der Fall: „Täglich stehen Flüchtlinge vor der Tür und wollen rein“, so Borkamp. „Ohne den Wachschutz hätte sich das Haus längst wieder gefüllt“. Verschärft hat sich die Situation auch dadurch, dass das Lageso am Dienstag 108 Flüchtlinge aus den Senatsunterkünften auf die Straße gesetzt hat. Der Schulkomplex in der Ohlauer Straße wird derzeit rund um die Uhr von acht Sicherheitsleuten pro Schicht bewacht. Nach der Sommerpause wollte der Bezirk dieses Personal eigentlich deutlich reduzieren. Bis zum November sollten die Kosten für den Wachschutz von rund 170.000 Euro pro Monat auf 30.000 Euro gesenkt werden. „Das war eine optimistische Prognose“, räumt die Stadträtin nun ein. Inzwischen habe man von diesen Plänen Abstand genommen.
Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat dieses Jahr insgesamt rund 500 Millionen Euro Ausgaben im Haushalt veranschlagt. Die 2 Millionen Euro für die Schule sind darin allerdings nicht enthalten. Einen Teil davon – 600.000 Euro – hat Finanzstadträtin Borkamp im Frühjahr eigenen Angaben zufolge durch „Plünderung von allem, was vertretbar schien“, gedeckt. Nun will sie den Bezirk auf „Nulldiät“ setzen.
Das könnte auch heißen, so Borkamp: Es gibt kein Papier mehr für die Drucker, oder Jugendprojekte können ihre Wände nicht neu streichen, oder Bibliotheken können zum Jahresende keine neuen Bücher kaufen. All dies werde aber nichts daran ändern, dass nach wie vor „ein großes Loch“ in der Bezirkskasse klaffe. Das Defizit – Borkamp geht von weit über einer Million Euro aus – soll in den Haushalt 2016 eingestellt werden. Wo bei Projekten oder Vorhaben der Rotstift angesetzt werde, würden Bezirksamt und Bezirksverordnetenversammlung beizeiten gemeinsam entscheiden.
JANA BORKAMP, GRÜNE
Bei der Versammlung am Mittwoch hatte die Finanzstadträtin auch vorgestellt, wie das geplante Projekthaus und das darin eingebundene Flüchtlingszentrum finanziert werden soll. Der Bezirk, so Borkamp, habe keinen einzigen Euro – das Ganze müsse kostenneutral abgewickelt werden. Angedacht sei, das Haus an einen freien Träger in Erbpacht zu vergeben. Dieser könne sich durch Vermietung an Projekte refinanzieren.
Das Flüchtlingswohnheim solle nach dem Standard des Lageso über Tagessätze finanziert werden. „Dafür brauchen wir starke Partner“, betonte die Stadträtin. Das könnten das Lageso, die Kirche oder auch freie Träger sein. Wegen der ungeklärten Situation in der Schule sei jedoch auch das Geld, das sich der Bezirk von den künftigen Partnern für den Umbau der Schule erhofft habe, „im Moment nicht vorhanden“. PLUTONIA PLARRE