: Die Opposition rüstet sich zur Schlacht
PAKISTAN Zehntausende marschieren auf das Regierungsviertel in Islamabad zu. Die Demonstranten wollen den Sturz des Premiers erzwingen. Ihm werfen sie Wahlfälschung und Korruption vor. Die Armee soll vermitteln
VON SASCHA ZASTIRAL
BANGKOK taz | Regierungsgegner und Sicherheitskräfte haben sich auch am Sonntag schwere Straßenschlachten im Regierungsviertel von Islamabad geliefert. Lokalen Medienberichten zufolge wurden bis zum Abend mindestens drei Menschen getötet, Hunderte wurden verletzt. Die Zusammenstöße begannen, als etwa 25.000 Demonstranten am Samstagabend auf die Residenz von Premierminister Nawaz Sharif zumarschierten. Polizisten reagierten, indem sie Tränengas und mit Gummi ummantelte Geschosse auf die Demonstranten feuerten. Es folgten Straßenschlachten, die sich durch die gesamte Nacht zogen. Am Sonntag formierten sich die Demonstranten erneut und griffen ein weiteres Mal die Sicherheitskräfte an.
Die Regierungsgegner sind vor rund zwei Wochen in langen Autokorsos aus Lahore im Osten des Landes nach Islamabad gekommen und campierten seither im Regierungsviertel von Pakistans Hauptstadt. Angeführt werden sie von zwei Protestführern. Beide fordern den sofortigen Rücktritt der Regierung: Der Ex-Kricketstar und Oppositionspolitiker Imran Khan wirft der Regierung vor, dass es bei den Wahlen im vergangenen Sommer massiven Betrug gegeben habe. Dieser habe verhindert, dass er zum Premierminister der Landes gewählt worden sei.
Den zweiten Protest führt der bekannte Sufi-Kleriker Tahirul Qadri an. Er verbringt die meiste Zeit in Kanada, wo er eine große moderate religiöse Stiftung leitet. Seine Ziele liegen größtenteils im Dunkeln: Qadri hat vielfach die gegenwärtige Regierung und Pakistans – nach langen Militärdiktaturen immer noch zerbrechliches – demokratisches System kritisiert. Dieses möchte er durch eine „echte Demokratie“ ersetzen. Wie diese aussehen soll, erklärt er nicht. Vielen Beobachtern fällt auf, wie häufig Qadri Pakistans Armee lobt. Gerüchte, er werde insgeheim von der Armee unterstützt, halten sich hartnäckig. Qadri weist das entschieden zurück.
Bereits Anfang 2013 kamen Gerüchte auf, wonach Qadri von der Armee unterstützt werde. Qadri streitet das ab. Er war für die damaligen Proteste, die sich gegen die im selben Jahr bei den Wahlen unterlegene Regierung unter Führung der Pakistan Peoples Party (PPP) richtete, eigens nach sieben Jahren aus Kanada nach Pakistan zurückgekehrt. Doch schon damals fiel sein Protest überschaubarer aus, als Qadri es geplant hatte. Nur etwa 50.000 Menschen gingen in Islamabad auf die Straße. Nach wenigen Tagen unterzeichneten Qadri und die damalige Regierung ein Abkommen, das nicht viel mehr war als eine gesichtswahrende Möglichkeit für Qadri, den Protest zu beenden.
Gespräche mit der Regierung hat Imran Khan vergangene Woche abgebrochen. Was folgte, sorgte für Aufsehen: Armeechef Raheel Sharif traf sich mit den Protestführern und mit dem Premierminister, um zwischen den streitenden Parteien zu vermitteln. Beide Seiten bestritten anschließend, die Armee um Vermittlung gebeten zu haben.
Der Chef von Imran Khans PTI-Partei, Javed Hashmi, der als Querdenker gilt, kritisierte das Vorgehen der Demonstranten. Er rief sie dazu auf, das Parlament zu respektieren. Khan habe mit seinen Anweisungen an die Demonstranten, auf das Haus des Premiers zu marschieren, Versprechen gebrochen, die er den Parteichefs gegeben habe, erklärte Hashmi am Sonntag. Zuvor kritisierte er in scharfen Worten die Einbeziehung der Armee in den Konflikt. Dabei sind die Proteste spektakulär erfolglos: Anstatt des angekündigten „Marschs der Millionen“ harren derzeit laut Schätzungen nur zwischen 20.000 und 60.000 Demonstranten in der Hauptstadt aus.