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Archiv-Artikel

Parasitensuche am Pol

Unterwegs mit der „Polarstern“ erkundet der Düsseldorfer Parasitologe Sven Klimpel das Ökosystem Antarktis. Der Klimawandel kommt den Forschern entgegen: Wenn das Eis schmilzt, werden neue Gewässer für Forschungszwecke zugänglich

VON STEPHANIE KASSING

Lautes Donnern ertönt, wenn sich die „Polarstern“ ihren Weg durch die mehr als zwei Meter dicke Eisschicht bahnt. Wie ein bunter Farbfleck wirkt der 118 Meter lange Eisbrecher in der weißen Welt aus Eis und Schnee.

Zweieinhalb Monate war das Forschungsschiff aus Bremerhaven das Zuhause des Düsseldorfer Parasitologen Sven Klimpel. Im November vergangenen Jahres hatte sich der 33-Jährige mit einem internationalen Team von Wissenschaftlern auf die Reise in die unwirtliche Welt der Antarktis gemacht. Ein Ökosystem, das mit einer Fläche von 13,7 Millionen Quadratkilometern anderthalb Mal so groß wie Europa und zu mehr als 90 Prozent mit Eis bedeckt ist.

Im Rahmen des „Census of Antarctic Marine Life“ (CAML), einem von der EU initiierten Projekt zur Erforschung des Meereslebens, arbeitet Klimpel an einer Bestandsaufnahme der Artenvielfalt in der Polarregion mit. „Wenn man so will: eine Volkszählung im Lebensraum Antarktis“, so der Nachwuchswissenschaftler der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität.

Klimawandel, Erderwärmung, schmelzendes Polareis – was für einige Forscher Grund zur Besorgnis ist, ermöglicht dem Parasitologen ganz neue Erkenntnisse. Dadurch, dass in den letzten zwei Jahren in der Antarktis Schelfeisflächen von der Größe der Schweiz abbrachen, entstanden neue, eisfreie Wasser- und Bodenflächen, die zuvor nie ökologisch und fischereibiologisch untersucht worden sind.

Dass die Fahrt in die Region südlich des sechzigsten Breitengrades abenteuerlich werden kann, erfuhr die 52-köpfige Wissenschaftlergruppe bereits zwei Tage nach dem Start vom südafrikanischen Kapstadt. Bei Windstärke elf bis zwölf neigte sich die „Polarstern“ bis zu 45 Grad auf die Seite. „Ich werde Gott sei Dank nicht seekrank“, berichtet Klimpel, „doch eine Italienerin musste mit einer Infusion versorgt und später nach Hause geflogen werden.“ Nach 600 Kilometern erreichte die Crew ihr erstes Etappenziel: die deutsche Forschungsstation Neumayer II, benannt nach dem Polarforscher Georg von Neumayer.

Rund zehn Meteorologen arbeiten hier bis zu fünfzehn Monate im Wechsel und funken aktuelle Klimadaten nach Deutschland. Auftrag der Besatzung der „Polarstern“: der Versorgungsnachschub für die nur per Funk mit der Außenwelt verbundene Station. Von der Neumayer II aus besuchte Klimpel eine der größten Kolonien von Kaiserpinguinen weltweit. In verendeten Tieren, die er später an Bord sezierte, konnte Klimpel eine neue, bislang unbeschriebene Parasitenart nachweisen, eine Form des Fadenwurms. „Diese Funde kann ich dann selbst benennen, leider nicht nach meinem eigene Namen“, erklärt Klimpel.

Nachdem die Neumeyer-Station versorgt war, ging es für die „Polarstern“ weiter in das eigentliche Forschungsgebiet, die Antarktische Halbinsel. Dort legten die Wissenschaftler sofort los, das marine Leben zu erforschen. Mit seinen zwei Düsseldorfer Kollegen, Markus Busch und Rüdiger Riehl, untersuchte Klimpel verschiedene Fischarten und auch die Parasiten, die diese befallen haben.

Zu den am häufigsten auftretenden Parasiten gehören die Wal- und die Robbenwürmer. Diese nutzen diverse Krebstiere und Fische als Zwischen- oder Transportwirte, die den potenziellen Endwirten wie Walen oder Robben als Nahrung dienen. „Anhand der Fadenwürmer in den Fischen können wir genau bestimmen, welche Wal- beziehungsweise Robbenarten in dem Gebiet wirklich vorkommen, weil die Parasiten spezifisch für die jeweiligen Endwirte sind“, erläutert Klimpel.

Weitere Proben werden nun von dem Forscherteam an der Universität Düsseldorf bearbeitet und ausgewertet. So kann Klimpel in einigen Wochen neue Aussagen über die Verbreitungsmuster von Organismen und ihren Parasiten und somit über das Ökosystem Antarktis machen.

Auch für Sven Klimpel steht das nächste Projekt bereits an. Im Rahmen des „Mid-Atlantic Ridge Ecosystem Project“ (Mareco) will er an der Erforschung des Mittelatlantischen Rückens teilnehmen, einem vulkanischen Bergmassiv mitten im Atlantischen Ozean. „Seefahrt ist schön. Ich hab mehr Ruhe zum Arbeiten und kann mich ausschließlich meinen Würmern widmen“, sagt Klimpel. Spätestens 2008 wollen die Wissenschaftler wieder in See stechen – für den Parasitologen ist es dann die 16. Expedition dieser Art.