Kampagnen für Bürgerrechte

RE:PUBLICA Die „Digitale Gesellschaft“ stellt sich in Berlin vor – eine Lobbyorganisation

„Die heutige Netzpolitik orientiert sich nicht an den Interessen der Nutzer und schadet oft mehr, als sie nützt“, sagt Markus Beckedahl. Er ist der Vorsitzende des Vereins Digitale Gesellschaft, der vor einem Dreivierteljahr in Berlin gegründet wurde. Ziel sei es, die Realitäten einer Welt, in der Smartphones zum Alltag gehören, anzuerkennen und politisch zu gestalten – und der Content-Lobby etwas entgegenzusetzen.

Thematisch wird es in erster Linie gegen Überwachung gehen, um einen transparenten Staat und ein modernes Urheberrecht. Dabei soll zum einen „eine Kampagneninfrastruktur aufgebaut“ werden, zum anderen will man „eine wirksame Interessenvertretung für digitale Verbraucherrechte“ sein. Dazu gehört auch Lobbying in parlamentarischen Prozessen. Bislang sehen sich die ehrenamtlichen Aktivisten einer hoch bezahlten Lobby gegenüber, die etwa Netzsperren durchsetzen will.

Nicht allen gefällt der Ansatz der Digitalen Gesellschaft. Alvar Freude, der in letzten Jahren mit dem AK Zensur gegen Netzsperren und den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag kämpfte, formuliert es diplomatisch: „Es wäre schön, wenn viele einbezogen werden.“ Verena Reygers vom Blog „Mädchenmannschaft“ fragte ketzerisch: „Wer ist die digitale Gesellschaft – wir?“

Unklar ist, wie die Einbindung von Interessierten erfolgen soll. Der Verein ist aktuell sehr Berlin-lastig. Über Tools wie zum Beispiel Wikis, Pads oder Mailinglisten gab es keine konkreten Angaben. Auch wird ein Mangel an Transparenz, was die Mitglieder betrifft, moniert. Aktuell soll es rund 15 stimmberechtigte Mitglieder geben. Eine Satzung liegt online nicht vor, einen Haushalt gibt es noch nicht.

Vielleicht spielt ja auch ein bisschen Neid mit, vielleicht auch Angst vor neuer Konkurrenz. Und nicht alle sind so kritisch. Die Netzaktivistin Anne Roth findet, der Digitalverein sei „ein interessanter Versuch“. Sie wünsche ihm „gutes Gelingen“. Der Aktivist und Künstler Philipp Steffan sagt, er hoffe, der Verein werde „eine schlimme Lobbyvereinigung, so wie sie nötig ist“.

Die Themen, die bislang auf der Website des Vereins angepriesen werden, sind in der Tat noch ausbaufähig. Es geht eben doch hauptsächlich gegen Überwachung und für ein modernes Urheberrecht, so wie es auch auf netzpolitik.org täglich nachzulesen ist. Nicht nur der Medienpädagoge Jürgen Ertelt findet, dass die Gestaltung der „Digitalen Gesellschaft“ noch lückenhaft ist. Es fehle „der ganze Bereich Bildung und Medienkompetenz. Man muss den Wandel auch so gestalten, dass man alle mitnimmt“.

JULIA SEELIGER