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Archiv-Artikel

Die Ukraine hat wieder einen Außenminister

Der neue Mann in Kiew gilt als prowestlich. Der lange Machtkampf zwischen Regierung und Präsident geht weiter

BERLIN taz ■ Die Ukraine hat endlich wieder einen Außenminister: Am Mittwoch bestätigte das Parlament, die Verchowna Rada, mit 426 Stimmen von 432 anwesenden Abgeordneten den von Staatspräsident Viktor Juschtschenko vorgeschlagenen Kandidaten. Der 32-jährige Arseni Jazenjuk, „der neue Millionär im Kabinett von Premier Viktor Janukowitsch“, wie die Internetzeitung Ukrainska Pravda anmerkte, gilt als prowestlich orientiert. Von September 2005 bis 2006 war er Wirtschaftsminister, davor stellvertretender Leiter der Nationalbank der Ukraine. Jazenjuk tritt die Nachfolge von Boris Tarassjuk an. Der Befürworter eines Nato-Beitritts und einer Annäherung an die Europäische Union hatte im vergangenen Januar wegen Meinungsverschiedenheiten mit Regierungschef Janukowitsch zurücktreten müssen. Seitdem war der Posten vakant. Zweimal hatte das Parlament einen Kandidaten von Präsident Juschtschenko durchfallen lassen.

Mit der Bestätigung Jazenjuks könnte jetzt zumindest die außenpolitische Lähmung überwunden werden. Ob sich jedoch in dem Machtkampf zwischen Staatspräsident sowie Regierungschef und Parlament demnächst eine Lösung anbahnt, ist zweifelhaft. Im Kern geht es dabei um die Kompetenzverteilung zwischen den Gewalten.

Am 1. Januar 2006 traten weitreichende Verfassungsänderungen in Kraft, die Regierung und Parlament auf Kosten des Staatschefs stärken. Jedoch ist der Text so widersprüchlich, dass er auch die meisten Juristen überfordert. Die Folge ist, dass die politisch Verantwortlichen versuchen, den Text jeweils zu ihren Gunsten auszulegen.

Zuletzt eskalierte der Streit im vergangenen Januar, als das Parlament ein Veto des Präsidenten überstimmte und das „Gesetz über das Ministerkabinett“ verabschiedete. Dieses sieht ebenfalls Beschneidungen der Kompetenzen des Präsidenten und eine Stärkung der Position des Regierungschefs vor.

Juschtschenko konterte seine Niederlage und reichte Verfassungsbeschwerde beim Verfassungsgericht ein. Das Gericht, das nach einer längeren Unterbrechung erst seit dem Sommer 2006 wieder arbeitsfähig ist, prüft derzeit auch noch, ob die Verfassungsänderungen von 2006 wieder rückgängig gemacht werden können. Wann das Gericht eine Entscheidung treffen wird, ist derzeit nicht abzusehen. Die Präsidialverwaltung ihrerseits würde am liebsten ein verfassunggebendes Gremium einberufen und das Grundgesetz komplett überarbeiten lassen.

Derweil haben die Ukrainer die Nase voll vom Kompetenzgerangel. Laut einer Umfrage des soziologischen Dienstes Ukrainischer Demokratischer Kreis von Mitte März sind 32 Prozent der Befragten dafür, eine neue Verfassung zu verabschieden, die die Rechte des Präsidenten wieder stärkt. Und 45 Prozent meinen, dass über diese Verfassung in einem Referendum abgestimmt werden sollte. BARBARA OERTEL