Roma spalten Anwohner

KREUZBERG Weil Roma am Görlitzer Park campieren, schreiben Anwohner Briefe. Die einen werfen den Behörden Antiziganismus vor – die anderen fordern ein schärferes Vorgehen

■ Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat eine Haushaltssperre verhängt. Nur noch unbedingt nötige Ausgaben würden genehmigt, sagte ein Sprecher von Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) am Mittwoch. Eine Prognose habe ergeben, dass der Bezirk bis Jahresende ein Minus von 3,9 Millionen Euro erwirtschaftet, wenn er weitermacht wie bisher (taz berichtete). Ein Grund sind rund 1,5 bis 2 Millionen Euro Kosten für die von Flüchtlingen bewohnte Gerhart-Hauptmann-Schule. Aber auch die zu niedrig angesetzten Heizkosten der Schulen und die Insolvenz einer vom Bezirk für ein Gesundheitszentrum beauftragten Baufirma schlugen negativ zu Buche. (dpa)

VON PLUTONIA PLARRE

Ein paar Tage lang waren die Roma weg. Wochenlang hatten die Familien in der Görlitzer Straße und im angrenzenden Park campiert. 30 bis 40 Menschen lebten in Autos, kochten und schliefen auf dem Bürgersteig. Am Mittwoch letzter Woche hat das Ordnungsamt Friedrichshain-Kreuzberg vier Fahrzeuge abschleppen lassen.

Die Meinungen in der Bevölkerung darüber könnten geteilter nicht ein: Zwei offene Briefe an das Bezirksamt liegen der taz vor. Das Amt tue nicht genug, um die von vielen Anwohnern als unzumutbar empfundenen Zustände zu beenden, meinen die einen. Andere finden, gegen die Roma werde viel zu hart vorgegangen, und werfen dem Ordnungsamt Antiziganismus vor.

Der verantwortliche Stadtrat Peter Beckers (SPD) wies das am Mittwoch mit Nachdruck zurück: „Solche Unterstellungen ärgern uns“, sagte Beckers zur taz. „Mit einer Stigmatisierung des Ordnungsamts kann man die komplizierte Situation vor Ort nicht lösen.“

In einem der beiden offenen Briefe wird behauptet, Mitarbeiter des Ordnungsamtes hätten die campierenden Roma rassistisch beleidigt. Mit einem brennenden Feuerzeug hätten sie sogar gedroht, ein Zelt anzuzünden. Es sei nicht das erste Mal, dass solche Behauptungen aufgestellt würden, sagt Beckers. Nächtliche Kontrollgänge indes habe es gegeben, bestätigt er: Tagsüber seien die Roma ja nicht an ihren Fahrzeugen anzutreffen.

„Wir jagen die Roma nicht“, sagte Beckers. Bevor es am letzten Mittwoch zu der Abschleppaktion kam, seien die Fahrzeuginhaber fünfmal schriftlich und mündlich darüber informiert worden, was auf sie zukomme, wenn sie ihre Wagen nicht wegfahren. Nach wochenlangem Campieren könne man erwarten, dass die Familien weiterzögen. Die Toleranz vieler Anwohner habe ihre Grenze, wenn selbst Hauseingänge zur Toilette umfunktioniert würden.

„Der Senat muss Wohnungen für die Roma zur Verfügung stellen“, forderte Beckers deshalb. Diese kämen als Touristen nach Berlin und hätten, anders als Flüchtlinge, keinen Anspruch auf staatliche Unterstützung, Unterkunft und finanzielle Hilfen. 2012 hat der Senat einen Roma-Aktionsplan beschlossen. Aber bis heute sei nichts geschehen, sagt Beckers – nicht einmal eine Erstanlaufstelle gebe es.

Die Integrationsbeauftragte des Senats, Monika Lüke, hatte im März 2013 gegenüber der taz erklärt, ein Wohnheim für obdachlose Romafamilien einrichten zu wollen. Von diesem Plan ist Lücke inzwischen abgerückt. Ein Heim sei nicht gut für die Integration der Roma, so Lücke am Mittwoch zu taz. „Wir sind aber kurz davor, Wohnraum im Stadtgebiet zur Verfügung zu stellen.“ Der Bedarf werde allerdings größer sein als das Angebot.

Vorerst bleibt also alles, wie es ist. Von den vier Wagen, die das Ordnungsamt letzte Woche abschleppen ließ, „sind drei schon wieder zurück“, sagte Beckers.