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Archiv-Artikel

Fein gesponnen

Mit „Das Zebra hat schwarze Streifen, damit man die weißen besser sieht“ hat Johanna Straub gerade ihren Debütroman veröffentlicht, auch ein Dokumentarfilm ist fertig. Beide dringen leise in den Mikrokosmos der Familiengeschichten ein

VON WIEBKE POROMBKA

Johanna Straub lacht leise, wenn man sie fragt, ob das Hackbarth’s in der Auguststraße ihr Stammcafé für Interviews sei. Sie führt ja nicht das Leben einer großen Schriftstellerin. Vielmehr hat sie die letzten Tage bei ihrer Großmutter verbracht, um ihr beim Umziehen zu helfen. Über vier Jahrzehnte hat die in ihrem Haus gewohnt. Da gab es tausend Dinge in die Hand zu nehmen, die sich zusammen mit noch mehr Erinnerungen angesammelt haben.

Jeder andere hätte in ihrer Situation wohl wenig Muße für solche Aufräumarbeiten. Immerhin hat Straub nicht nur gerade ihren ersten Roman veröffentlicht. „Das Zebra hat schwarze Streifen, damit man die weißen besser sieht“ heißt er und ist beim Münchner Verlag Liebeskind erschienen. Fast parallel dazu ist auch der Dokumentarfilm „Mutterstücke“ fertig geworden, den sie selbst konzipiert, aber gemeinsam mit drei anderen Filmemacherinnen gedreht hat. Man kann nicht sagen, dass Johanna Straub angesichts dieses doppelten Debüts zum Dauerstrahlen neigt. Wenn sie so unaufgeregt und mit leisem Lächeln über ihre Arbeit spricht, scheint es viel eher so, als ob alles, was mit ihr in den letzten Jahren passiert ist, seine Richtigkeit habe.

Straub, Jahrgang 1970, hat in Tübingen Rhetorik und Kulturwissenschaften studiert, im Anschluss in Leipzig einen Vertrieb für Dokumentarfilme geleitet. 2002 kam sie nach Berlin, weil sie endlich ihre eigenen Sachen machen wollte.

Entstanden sind mit Roman und Film gleich zwei Projekte, die beide im Mikrokosmos Familie spielen. Der Film „Mutterstücke“ besteht aus vier sehr intimen, kommentarlos aneinandergereihten Porträts. Jede der vier Filmemacherinnen lässt darin die eigene Mutter über ihr Leben erzählen, beobachtet sie beim Blättern in Fotoalben und beim Nachdenken darüber, was von den Wünschen und Plänen geblieben ist, die man einmal gehabt hat, als man so jung war wie die Töchter, die jetzt hinter der Kamera stehen.

Auch Straubs Roman ist eine Art Porträt, und auch hier entsteht aus kleinen Versatzstücken, aus Vorstellungen und zufälligen Entscheidungen, eine Biografie.

Freunde haben sie anfangs für verrückt erklärt, als sie angekündigt hat, einen Familienroman zu schreiben, der eine Zeitspanne von fast achtzig Jahren umfasst. Ein viel zu großer Brocken. Sie soll die Finger davon lassen. Und ein bisschen strahlt sie nun doch und nimmt schnell ein paar Löffel von ihrem Milchkaffee. Denn sie weiß, dass sie für ihren Roman nicht nur die Kraft gefunden hat, die man ihr erst nicht zutrauen wollte. Sie weiß auch, dass sie eine Form und eine Sprache gefunden hat, die vorführt, wie man achtzig Jahre auf wenig mehr als zweihundert Seiten umfassen kann.

In zwölf Episoden und aus zwölf verschiedenen Perspektiven geht es um das Leben von Philippa, das 1970 beginnt. Aber das ist eigentlich schon falsch. So flüchtig und so nebenbei lässt Straub immer wieder das Erzählen um ihre Heldin kreisen, dass es eigentlich nur zwölf Andeutungen sind, aus denen sich ihr Bild zusammenfügt. Im ersten Kapitel sitzt Philippas Vater vor dem Kreißsaal und überlegt, ob er nicht doch lieber seinen VW-Bus starten und der Existenz als Familienvater in letzter Sekunde entkommen soll. Im letzten Kapitel, das im Jahr 2050 spielt, betrachtet Philippas Enkeltochter nachdenklich das Weihnachtsgeschenk, das sie ihrer verstorbenen Großmutter nicht mehr hat geben können. In den Episoden dazwischen kommen Figuren zu Wort, deren Leben sich mit dem von Philippa überschneiden: die jüngere Schwester, eine Schulfreundin, der Sohn. Kleine, unspektakuläre Momentaufnahmen.

Dass es ihr um dieses Kleine und Unspektakuläre gehen muss, sei ihr relativ früh klar gewesen, sagt Straub. Nach dem Abitur ist sie für einige Monate allein durch Neuseeland und Indonesien gereist. Ein klassischer Selbstfindungstrip, ohne Uhr, ohne Regenjacke, dafür aber in Cowboystiefeln und mit den großen Fragen nach dem Sinn des Lebens im Gepäck. Straub schaut raus auf den verregneten Berliner Märzmorgen. Irgendwann ist sie dann zurückgekommen, weil sie gemerkt hat, dass man diese großen Fragen nach dem Leben genauso gut hier und im Kleinen beantworten kann. Wenn überhaupt. Genau hinzuschauen, zu beobachten, zu sammeln und schließlich das ganze Material in eine passende Form zu bringen, das sei ihre eigentliche Arbeit.

Dass es Leute gibt, denen ihre Texte zu fein gestrickt und zu leise sind, weiß Johanna Straub. Sie zuckt mit den Schultern. Es ist die Feinarbeit, die sie interessiert. Nicht die große Inszenierung. Bei allzu viel Lärm wird man diese Sachen nicht finden, aus denen die Erzählungen gemacht sind. Schon allein deshalb spricht sie noch nicht vom zweiten Roman, an dem sie bereits arbeitet. Auch vom Filmemachen sagt sie nur, dass auch das noch weitergeht. Aber das Leben drum herum eben auch. Als sie mit ihrer Großmutter in den letzten Tagen das Haus ausgeräumt hat, haben sie nichts weggeworfen. Erst mal haben sie alles nur in Kisten gepackt. Wer weiß, was man von all den Sachen noch erzählen kann.

Johanna Straub: „Das Zebra hat schwarze Streifen, damit man die weißen besser sieht“. Verlagsbuchhandlung Liebeskind, München 2007, 204 Seiten, 16,90 € „Mutterstücke“. Ein Filmprojekt von Johanna Straub. Regie: Sandra Kulbach, Michaela Schäuble, Nan Mellinger, Johanna Straub. Deutschland 2006, 58 Minuten