: Atomausstieg zum Selbermachen
ABSCHALTEN Wind- und Sonne sind nicht die einzigen Alternativen zum Strahlenstrom. Die taz rechnet aus, wie hoch Ihr persönlicher Einsatz sein muss, um selbst ein AKW überflüssig zu machen. Sie müssen nur …
VON INGO ARZT UND MARTIN RANK
■ 3.262 Jahre lang raven:
So lange braucht eine 75 mal 75 Zentimeter große Bodenplatte der Firma „Sustainable Dance Club“, um die Energie zu erzeugen, die ein AKW in einer Stunde produziert. Die Platten mit einer Leistung von 35 Watt werden in die Tanzfläche von Clubs eingebaut, durch die Vibration des Bodens erzeugen Generatoren darunter regenerativen Strom. Alternativ könnten auch 3.262 Menschen ein Jahr auf einer circa 135 mal 135 Meter großen Tanzfläche ohne Pause rumhüpfen.
■ 4,6 Milliarden Hamster züchten:
So viele Tiere müssten man halten, um ein AKW zu ersetzen. Jedes Tier hätte ein Pensum von 4 Stunden täglich Im-Rad-Laufen zu absolvieren. Diese Erkenntnis ist dem britischen Schüler Peter Ash zu verdanken – sowie seinem Hamster Elvis. Der treibt mit seinem Hamsterrad einen Dynamo an, mit dem Peter sein Handy auflädt – zu sehen in einem Youtube-Filmchen. Sollte es kein Marketinggag sein, hat Elvis mindestens die 1,3 Watt Leistung eines Ladegeräts ertrabt.
■ 132.822 Mal wiedergeboren werden:
Zumindest müsste man so oft sterben, um ein AKW für eine Stunde zu ersetzen. Ein Krematorium in Taiwan jedenfalls produziert mit seiner Abwärme Strom, jede Einäscherung bringt etwa 7,53 Kilowattstunden Energie. Man treibt damit beispielsweise die Kaffeemaschine an. Allerdings ist die Sache nicht regenerativ: Denn Brennwert bringt eigentlich das Öl, das zum Befeuern verwendet wird.
■ 951.436 Jahre in der Sonne liegen:
So lange müsste man mit der „Solar Fan Cap“ in der prallen Sonne garen, um ein AKW für eine Stunde zu ersetzen. In der schweinerosafarbenen Schildmütze eines chinesischen Herstellers ist nämlich eine Solarzelle mit 120 Milliwatt Spitzenleistung eingebaut. Einfacher wäre es, wenn sich 8,3 Milliarden Menschen, sobald es so viele gibt, eine solche Kopfbedeckung zulegen. Eine Stunde Sonnenbad in der Mittagspause reicht! Momentan verschwendet die Mütze den Strom allerdings: für einen Miniventilator, der das Gesicht kühlt.
■ 75 Millionen Mal um die Erde joggen:
So oft müsste man mit den Spezialschuhen des Dozenten Ville Kaajakari von der Louisiana Tech University bei 12 Stundenkilometern Geschwindigkeit um den Planeten joggen, um eine Stunde AKW-Energie ersetzen zu können. Gehen funktioniert auch. Aus der Biegung der Sohle bauen die Treter nutzbare Spannung auf, die Leistung beträgt 4 Milliwatt pro Paar. Allerdings gibt es effektivere Methoden, mit Muskelkraft Energie zu erzeugen. Alternativ könnte man die knapp 3 Billionen Kilometer auch auf einer Tartanbahn zurücklegen, was aber langweiliger ist als ein Parcours rund um den Globus.
■ 220 Millionen Kurbellampen verteilen:
Beim Camping sind sie von unschätzbarem Wert: Taschenlampen, die per Kurbel aufgeladen werden. Theoretisch muss man 72 Minuten tätig werden, um mit der Dynamoleistung von 4,5 Watt einen Tag Licht zu haben – und nur 25.092 Jahre, um ein AKW für eine Stunde abschalten zu können. Alternativ könnten auch 220 Millionen Deutsche gleichzeitig kurbeln. Weil es so viele Deutsche gar nicht gibt, müssten noch 28 Millionen Gastarbeiter zu uns ziehen, die dann freilich beidhändig arbeiten müssten. ■ 196 Minuten am Tag radeln:
Auch hier müssten wirklich alle 82 Millionen Deutsche mitmachen, Kinder wie Alte. Ein noch einzurichtendes Amt müsste einen Schichtbetrieb organisieren. Der müsste sicherstellen, dass stets etwas mehr als 11 Millionen Deutsche gleichzeitig auf einem Rad mit modernem Nabendynamo (Wirkungsgrad: 60 Prozent) in die Pedale treten. Sie müssten 150 Watt Leistung pro BürgerIn erbringen – ein Drittel eines Spitzensportlers. Das brächte die Abschaltung eines Meilers.
■ 12,2 Millionen Kilo kacken: So viel Schweinegülle braucht es, um die elektrische Energie zu erzeugen, die ein AKW in einer Stunde herstellt. In Biogasanlagen produzieren Bakterien dabei aus der Scheiße Methan. Das Gas wird verbrannt; so entstehen Strom und Wärme. Mit menschlichen Exkrementen, denen der Schweine ähnlich, funktionierte das auch. Wie hoch dieser Haufen wäre, harrt der Forschung.
■ Ein AKW in Windmühlen: Alle Vorschläge und Szenarien sind seriös gerechnet. Basis aller Kalkulationen – ein deutscher Durchschnittsmeiler: 1.205 Megawatt Leistung, 83 Prozent seiner Lebensdauer am Netz. Circa 2.500 Windkraftanlagen mit 2 Megawatt Leistung können ihn ersetzen. Diese erzeugen etwa ein Fünftel des Stromes, der bei optimalem Wind möglich wäre. Mehr (inklusive Quellen) im Internet über taz.de.
■ Ingo Arzt, 32, ist taz-Redakteur im Ökologie- und Wirtschaftsressort, in dem Martin Rank, 25, taz-Volontär, momentan arbeitet