: „Wir bewahren das Konservative“
INTERVIEW LUKAS WALLRAFF
taz: Herr Pofalla, Sie sind Generalsekretär der größten Regierungspartei. Manche scheinen Sie trotzdem nicht ganz ernst zu nehmen. Sie seien der lustigste Politiker in Deutschland, befindet der Kabarettist Dieter Hildebrandt. Er müsse schon lachen, bevor Sie etwas gesagt haben. Wie gehen Sie mit dieser Häme um?
Ronald Pofalla: Sehr gut. Ich lache selber häufig, wenn ich zufälligerweise solche Sachen sehe. Dass man Gegenstand von Karikatur und Kabarett ist, zeichnet einen doch nur aus.
Und wenn der Spott vom Koalitionspartner kommt? Peter Struck verkündet, er nehme nie ernst, was Sie sagen.
Das war die Replik auf eine Aussage von mir. Ich habe gesagt, Herr Struck ist Herr Struck, und Herr Struck ist einfach gestrickt. Ich habe an dieser klaren Aussage nichts zurückzunehmen.
Auch aus der CDU gab es abschätzige Äußerungen. Sie seien mehr Sekretär als General.
Ich habe auf dem Parteitag das zweitbeste Stimmenergebnis bekommen. Damit bin ich sehr zufrieden.
Dass Sie alle Parteibeschlüsse verkaufen müssen, ist Ihr Job. Aber was ist Ihnen persönlich wirklich wichtig?
Die CDU muss sich auf die veränderten Bedingungen einstellen, etwa in der Familienpolitik oder der Umweltpolitik –, aber mit dem Anspruch, Orientierung zu geben und nicht einfach nur dem Zeitgeist nachzulaufen. Christdemokratische Politik ist eine Haltung, die man nicht einfach an der Garderobe abgibt! Ich will, dass die CDU bei der Wahl 2009 als die modernste Volkspartei antritt.
Welche modernen CDU-Konzepte hätte es ohne Pofalla nicht gegeben?
Wir werden in unserem neuen Grundsatzprogramm klare Aussagen zum Familiensplitting, zum Klimaschutz, zum Ausbau erneuerbarer Energien machen. Das sind einige Beispiele dafür, wo ich Schwerpunkte gesetzt habe.
Warum hat Ursula von der Leyen so große Schwierigkeiten, die Union von ihrer Familienpolitik zu überzeugen?
Der Erfolg der Debatte gibt ihr doch recht. Wir waren in den Umfragen lange nicht mehr die Familienpartei Nummer eins, jetzt sind wir es wieder. Damit wird deutlich, dass unsere Vorschläge und die Diskussion, die wir geführt haben, die Bevölkerung überzeugen.
Die Bevölkerung vielleicht, aber die eigene Partei noch nicht.
Die CDU ist in der Bevölkerung breit verankert. Und in den Führungsgremien der Partei ist unbestritten, dass wir innerhalb weniger Jahre das Problem der Ganztagsbetreuung von unter Dreijährigen lösen wollen.
Die Finanzierung bleibt ein Rätsel.
Wir wollen ein vernünftiges Finanzierungskonzept. An den völlig in die Hose gegangenen Vorschlägen der SPD, die Familien für Familien zahlen lassen will, sieht man, dass es manchmal besser ist, sich ein wenig Zeit zu nehmen.
Die neue Familienpolitik wird in Ihrer Partei als ein Kulturbruch empfunden. „Die redet wie unsere linken Lehrer“, sagte ein JU-Funktionär über von der Leyen.
Das sind doch Klischees von vorgestern. Sich um Familien mit Kindern zu kümmern, ist urkonservativ. Es geht darum, wirkliche Wahlfreiheit zu schaffen. Da kommen wir gar nicht umhin, das Betreuungsangebot zu erweitern.
Ist nicht auch das Ehegattensplitting veraltet und ungerecht, weil kinderlose Gutverdiener profitieren?
Das Ehegattensplitting ist für uns absolut unverhandelbar. Es ist eine der Säulen, auf denen unsere Familienförderung basiert. Es unterstützt die Institution der Ehe – und vor allem die Ehen, die Kinder haben und wo es nur einen Verdiener gibt. Die andere Säule, die wir bereits aufgebaut haben, ist das Elterngeld.
Und wann folgt das Familiensplitting, das Ihnen so am Herzen liegt?
Von uns aus sehr schnell. Wir wollen damit die Familien, die Kinder haben, steuerlich noch besser stellen. Leider gibt es dafür momentan keine Mehrheit, weil die SPD beim Ehegattensplitting kürzen will, während wir das Familiensplitting obendrauf setzen wollen.
Das kostet ja noch mehr Geld. Wo, um Gottes willen, soll das herkommen?
Die Programmkommission wird das Familiensplitting beschließen. Und wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg.
Ist die Unionsführung überhaupt noch in der Lage, das Leitbild der Ehe halbwegs glaubwürdig zu vertreten? Merkel – geschieden, zweite Ehe. Sie selbst – geschieden, zweite Ehe. Wulff – lebt mit junger Freundin zusammen. Von Seehofer mal ganz zu schweigen.
In einem Grundsatzprogramm schreibt man das auf, was man grundsätzlich für richtig und am besten hält. Deshalb gibt es da keinen Widerspruch. Es geht vielmehr darum, zu reparieren, was die 68er angerichtet haben. Die 68er haben Ehe und Familie als muffige Einrichtungen betrachtet, ja verachtet. Wohin das führte, kann man in den Schulen sehen, in den Kindergärten, überall, wo die Defizite familiärer Erziehungsstrukturen aufprallen. Deshalb ist es wichtig, Ehe und Familie als Leitbild zu erhalten.
Es muss aber, wie die CDU-Spitze zeigt, nicht mehr eine Ehe mit ewiger Treue sein?
Diese Schlussfolgerung ist abwegig. Niemand heiratet doch mit dem Ziel, sich wieder scheiden zu lassen.
Mit Jörg Schönbohm tritt der letzte prominente, traditionelle CDU-Konservative ab. Wie wollen Sie ihn ersetzen und seine Anhänger halten?
Da kennen Sie meine Partei schlecht. Wir zeigen durch unsere Politik und unser Programm, dass der konservative Teil der CDU bewahrt wird. Konservativ heißt für mich, die Familie als Kern unserer Gesellschaft zu stärken. Konservativ heißt aber auch: die Würde und die Freiheit des Menschen zu wahren.
Gehört dazu, nach der Entscheidung einer Richterin, die sich auf den Koran bezogen hat, laut aufzuschreien: „Gute Nacht Deutschland“?
Nach solchen krassen Fehlurteilen geht man nicht einfach zur Tagesordnung über. Es kann nicht sein, dass in Deutschland prügelnde Ehemänner mit dem Koran in Schutz genommen werden. Solchen Entwicklungen müssen wir uns entgegenstellen. Männer, die ihre Frauen schlagen, und Männer, die glauben, so genannte Ehrenmorde begehen zu können, dürfen durch unsere Rechtsordnung keine Toleranz erfahren.
Sie antworten nicht nur mit der Rechtsordnung, sondern damit, dass die Leitkultur ins CDU-Programm soll. Warum genügt nicht das Grundgesetz?
Das Grundgesetz ist das eine, es muss aber auch gelebt werden, überall in Deutschland. Zudem reicht die Verfassung alleine nicht aus, um die Grundlagen für das Zusammenleben zu beschreiben. Dazu gehören die deutsche Sprache, sich nicht in Parallelgesellschaften einzurichten, aber auch Kenntnisse der deutschen Geschichte. Im Grundgesetz steht auch nicht, dass wir eine besondere Verantwortung für den Staat Israel und für die Juden haben. All das sehe ich als Grundlage des Zusammenlebens. Und der Begriff der Leitkultur eignet sich dafür am besten.
Bei der EU-Verfassung, bei der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sollen Kompetenzen an Europa abgegeben werden. Wie soll das auf Zustimmung stoßen, wenn Sie die „deutsche Schicksalsgemeinschaft“ propagieren?
Gerade weil wir über die Übertragung von eigentlich nationalstaatlichen Elementen auf EU-Ebene reden, müssen wir den Menschen umso mehr die Möglichkeit geben, sich mit dem eigenen Land zu identifizieren. Ein starkes Europa baut auf Nationalstaaten auf, daran wird sich nichts ändern.
Es scheint, als bräuchten Sie eine Leitkulturdebatte, weil es sonst zu viel Gemeinsames mit der SPD gibt. Unternehmensteuersenkung, Rente ab 67, Hartz-IV-Verschärfungen: Hätten Sie gedacht, dass Sie in der Koalition so viel CDU-Politik durchsetzen können?
Natürlich bin ich stolz darauf, dass wir an vielen Stellen pures Gedankengut der CDU umsetzen konnten. Es zeigt auch, dass zumindest in der SPD-Führung die Einsicht gewachsen ist, dass der Reformkurs, der im Wahlkampf noch so beschimpft wurde, Deutschland guttut.
Angenommen, Sie hätten ab morgen eine absolute Mehrheit: Was würden Sie damit machen?
Die taz ist auf dem richtigen Weg! Im Ernst: Wir würden die Chancen für neue Arbeitsplätze weiter verbessern. Dazu gehört vor allem, den Arbeitsmarkt weiter zu flexibilisieren. Da ist die SPD aus ideologischen Gründen noch sehr zugeknöpft. Wir sind nach wie vor für die gesetzliche Absicherung der betrieblichen Bündnisse für Arbeit und für eine Flexibilisierung beim Kündigungsschutz.
Nicht erwähnt haben Sie jetzt Kopfpauschalen und Kirchhof. Schon vergessen?
Jetzt haben wir ja gerade die Gesundheitsreform beschlossen, die im Wesentlichen zum Januar 2009 in Kraft tritt. Wir sollten erst einmal die Wirkung der Reform abwarten.
Wird Klimaschutz ein Wahlkampfthema?
Die Bewahrung der Schöpfung ist uns als Christdemokraten ein zentrales Anliegen. Die CDU kann die Umweltpartei werden. Ich mache keinen Hehl daraus, dass zum Beispiel das Thema der erneuerbaren Energien in der CDU lange keine Top-Priorität hatte. Wenn es nun heute die CDU ist, die in der Umweltpolitik neue Ziele setzt, hat das doch ganz besondere Wirkungen. Von den Grünen hören Sie seit Monaten nur Begleitmusik. Angela Merkel hat in der EU jetzt schon mehr erreicht als Jürgen Trittin in sieben Jahren. Und wir fassen im neuen Grundsatzprogramm Beschlüsse, die sehr ambitioniert sind: Bis 2020 dreißig Prozent CO2-Reduktion gegenüber 1990, und bis 2020 zwanzig Prozent Anteil für die erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch!
Was spricht dann noch gegen Schwarz-Grün?
Jetzt sind wir in einer Koalition bis 2009. Ich halte nichts davon, jetzt schon Gedanken darüber anzustellen, wie eine zukünftige Formation sein könnte.
Manche Grünen und manche in der CDU haben durchaus so viel Fantasie.
Mag sein. Aber wir befinden uns gerade in einer „Lebensabschnittspartnerschaft“ mit der SPD. Jetzt stellen Sie sich das mal übertragen vor: Sie leben mit einer Partnerin zusammen und erklären ihr öffentlich, wer als nächste schon vor der Tür steht. Das gehört sich nicht.