: Epochenformel Lohnverzicht
Die Tarifverhandlungen für die Metallindustrie gehen weiter. Nach dem Vorbild Baden-Württemberg stellen auch die Arbeitgeber im Norden 2,5 Prozent in Aussicht. Für die IG Metall ist das ein „Magersuchtangebot“
Als die Delegierten der norddeutschen Metallarbeitgeber an ihren Tischen Platz nehmen, gesellen sich Gewerkschafter der IG Metall mit Transparenten zu ihnen. „Weil Geiz schon lange nicht mehr geil ist – sechskommafünfprozent“, steht darauf und „Wir sind doch nicht blöd! IG Metall Flensburg.“
Als wenig später auch die Chefin der IG Metall Küste, Jutta Blankau mit ihrer Delegation im Verhandlungssaal des Hamburger Radisson-Hotels dazustößt, hat sie ein Geschenk im Gepäck: IG Metall-Vertrauensleute aus dem Airbus-Werk in Hamburg-Finkenwerder, dem Gabelstapler-Hersteller Still Hamburg sowie der Firma SIHI-Sterling Itzehoe haben ihr aufgetragen, ein Plakat zu übergeben. Darauf werden die immergleichen Argumente der Metallarbeitgeber aus vier Epochen karikiert: „Damit es aufwärts geht – Lohnverzicht! Um den Aufschwung nicht zu gefährden – Lohnverzicht! Den Aufschwung bewahren – Lohnverzicht! Damit es nicht wieder abwärts geht – Lohnverzicht!“ Der Verhandlungsführer des Arbeitgeber-Nordverbunds, Ingo Cramer aus Bremerhaven, gibt sich dennoch cool. „Wenn es ein Geschenk ist, will ich es auch haben“, sagt er, und nimmt das Plakat brav entgegen.
Der Bezirk Küste ist die zweite Region, in der gestern der Tarifpoker für die Metall- und Elektroindustrie fortgesetzt wurde. Die IG Metall fordert für die 150.000 Beschäftigten 6,5 Prozent mehr Lohn sowie Tarifregelungen für Leiharbeiter und eine überproportionale Anhebung der Ausbildungsvergütung. Indes unterbreitete die Gegenseite auch im Norden nur das Angebot, wie es zuvor in Baden-Württemberg auf den Tisch gekommen war: 2,5 Prozent mehr Lohn, dazu ein „Konjunkturbonus“ von 0,5 Prozent für ein Jahr. Nach zwei Stunden wurden die Gespräche ergebnislos beendet.
Bereits Stunden zuvor hatten draußen vor dem Hotel Redner der Gewerkschaft die Offerte gegeißelt, wobei ihnen rund 200 Beschäftigte aus den betroffenen Branchen zuhörten. „Das ist ein Magersuchtangebot“, sagte der IG-Metall-Bevollmächtige aus der Region Unterelbe, Uwe Zabel. „Was würden die Unternehmer sagen, wenn wir nach einem Jahr die Produktivität drosseln?“ Bezirksleiterin Jutta Blankau forderte dazu auf, sich noch vor Ende der Friedenspflicht Ende April auf den Tarifkonflikt vorzubereiten: „Wenn sie sich nicht am Verhandlungstisch bewegen, bewegen wir uns, und dann müssen sie sich bewegen.“
Heute gehen in Hannover auch die Tarifgespräche im Bezirk Niedersachsen weiter. Bezirks-Chef Hartmut Meine hat die Unternehmer aufgefordert, für die 70.000 Beschäftigten ein verbessertes Angebot vorzulegen. „Knauserige olle Kamelle“, so Meine, „werden wir nicht akzeptieren.“ KAI VON APPEN