Tote in Mariupol und Donezk

UKRAINE Waffenruhe im Osten wird nicht überall eingehalten. Brüssel bringt neue Sanktionen gegen Moskau auf den Weg. Immer mehr EU-Staaten wollen nicht mitziehen

Neue Strafmaßnahmen zielen erstmals auch auf eine Tochterfirma der Gazprom

DONEZK dpa/afp/taz | Die vereinbarte Feuerpause in der Ostukraine erweist sich als brüchig. Beim Einschlag von Granaten kam in Mariupol in der Nacht zu Sonntag eine 33 Jahre alte Frau ums Leben. Drei weitere Bewohner der strategisch wichtigen Hafenstadt am Asowschen Meer erlitten schwere Verletzungen, wie die Stadtverwaltung am Sonntag mitteilte. Auch in der Separatistenhochburg Donezk waren am Sonntag Explosionen und Schüsse an dem von der Armee besetzten Flughafen zu hören. Die Aufständischen berichteten von vier getöteten Zivilisten und zwei Verletzten. Eine unabhängige Bestätigung dafür gab es nicht.

Regierungseinheiten und prorussische Separatisten bezichtigten sich gegenseitig, gegen die Friedensregelung verstoßen zu haben. Diese war erst am vergangen Freitag vereinbart worden. Zwar warfen sich die ukrainische Armee und die Rebellen in den ersten 24 Stunden danach einzelne Verstöße vor. Dennoch sahen Präsident Petro Poroschenko und sein russischer Kollege Wladimir Putin die Feuerpause nach einem Telefonat als weitgehend eingehalten an.

Nach Angaben der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sieht das in Minsk erzielte Abkommen neben dem Abzug aller schweren Waffen sowie der Freilassung aller Gefangenen auch eine Amnestie für an den Kampfhandlungen in der Ostukraine beteiligten Personen sowie ein Gesetz über einen Sonderstatus für die Gebiete Donezk und Luhansk vor.

Unterdessen kündigte Russland Vergeltung an, sollte die EU mit ihrer Drohung Ernst machen und neue Sanktionen verhängen. Dann werde es „ohne Zweifel eine Antwort“ geben, heißt es in einer Stellungnahme des russischen Außenministeriums. Die EU sende mit den neuen Sanktionen „ein klares Zeichen, dass sie die Kriegspartei in Kiew unterstützt“.

Brüssel hatte am Freitagabend und damit nur wenige Stunden nach Beginn der Waffenruhe neue Strafmaßnahmen auf den Weg gebracht. Sie sollen am heutigen Montag endgültig beschlossen werden und zielen erstmals auch auf eine Tochterfirma des Gaskonzerns Gazprom.

Die Europäer betonen, dass sie die Sanktionen zurücknehmen könnten, wenn die Waffenruhe hält. Allerdings deutete am Sonntag nichts auf ein Umdenken hin. In Brüssel liefen die Vorbereitungen für neue Strafmaßnahmen wie geplant weiter. Sie sollen am Montag im schriftlichen Umlaufverfahren – also ohne neue Beratungen – beschlossen und noch am selben Tag in Kraft gesetzt werden.

Parallel wollen auch die USA neue Sanktionen gegen Russland verhängen. Die neuen Strafen bauen auf den bisherigen auf und betreffen vor allem den Banken- und Rüstungssektor. Allerdings wird erstmals auch der für die europäische Energieversorgung wichtige Staatsmonopolist Gazprom ins Visier genommen. Die Gazprom Bank und der Ölkonzern Gazprom Neft müssen mit Problemen rechnen. Details sollen erst am Montag bekannt gegeben werden.

Auf die letzten Wirtschaftssanktionen hatte Russland mit einem Boykott europäischer Agrarprodukte reagiert. Dies hatte die Agrarbranche in Aufruhr versetzt. Die EU-Kommission kündigte daraufhin umfangreiche Hilfen. Dennoch regt sich vor allem in Südosteuropa Widerstand gegen neue EU-Sanktionen. Nach Ungarn und Bulgarien machen auch Tschechien und die Slowakei Bedenken geltend. Die Regierungen in Prag und Bratislava fordern, weiter so genannte Dual-Use-Güter wie Computer oder Maschinen nach Russland liefern zu dürfen. Offenbar ging der Streit am Wochenende hinter den Kulissen weiter. In Brüssel hieß es, vor Bekanntgabe der Sanktionen seien noch einige „technische Details“ zu klären. Weniger diplomatisch ausgedrückt: Es gibt Zoff. ERIC