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Archiv-Artikel

„Es hat lange gedauert“

SPRACHE Der Beirat Niederdeutsch des Parlamentes trifft sich – und redet über Pflege und Bildung

Reinhard Goltz

■ ist seit 2003 Geschäftsführer des Instituts für Niederdeutsche Sprache in Bremen.

taz: Herr Goltz, es gibt nun in der Bremischen Bürgerschaft auch einen „Beirat Niederdeutsch“. Ist das ein Fortschritt?

Reinhard Goltz: Es gibt solche Beiräte schon in den anderen norddeutschen Bundesländern, in denen Plattdeutsch gesprochen wird. Bremen setzt damit jetzt die Europäische Sprachencharta um – also eine Verpflichtung, die schon vor 15 Jahren eingegangen wurde. Es hat lange gedauert, ehe man ihr auch hier nachkam.

Der Beirat tagt nun das vierte Mal. Wie ist Ihre bisherige Erfahrung?

Es geht darum, der plattdeutschen Sprache Gehör zu verschaffen, sie gehört zum kulturellen Erbe dieser Stadt. Und der Beirat ist eine gute Möglichkeit, mit Behörden und Politikern ins Gespräch zu kommen. Viele sind sich der Probleme, die es gibt, gar nicht bewusst. Zum Beispiel in der Pflege: Alte Menschen fallen oft in ihre erste Sprache zurück – und hier ist das dann eben Plattdeutsch. Da ist die Frage: Halten die Einrichtungen Personal vor, das dann mit den Menschen auch entsprechend kommunizieren kann. Aber die Bereitschaft der Behörden, sich auf solche Fragen einzulassen, ist groß. In der Pflege helfen ja auch schon ein paar plattdeutsche Floskeln weiter.

Sie sehen also nicht die Gefahr, dass das Niederdeutsche durch so einen Beirat eher an den Rand gedrängt wird?

Nein. Es sitzen Politiker mit am Tisch, und die sind aufgefordert, die besprochenen Themen in ihren Wirkungskreis mit einzubeziehen. Wir wissen, dass wir einen Randbereich bedienen – aber er ist wichtig, wenn wir von Identitäten reden, gerade auch in Bremen. Die ganze Hansegeschichte, auf die Bremen so stolz ist, ist nicht ohne das Plattdeutsche denkbar.

Aber bei der Umsetzung der Europäischen Sprachencharta von 1999 hinkt Bremen hinterher, oder?

Ja. Der Europarat hat Bremen in seinem jüngsten Bericht kein sehr gutes Zeugnis ausgestellt. Da wurde Bremen zum wiederholten Male dringend aufgefordert, für regelmäßigen Schulunterricht in plattdeutscher Sprache zu sorgen. Und da hört es dann auch auf, folkloristisch zu sein. Wenn man Mehrsprachigkeit als Teil einer funktionierenden Multikultur vorantreiben will, dann darf es nicht nur um Russisch oder Türkisch, dann muss es auch um Plattdeutsch gehen.

Immerhin startet jetzt Plattdeutsch-Unterricht an vier Projektschulen.

Ja. Man muss sehen, welchen Erfolg das dann haben wird. Das beginnt jetzt zunächst in den Klassen eins und zwei, mit zwei Wochenstunden zusätzlich. Die Versorgung mit Lehrpersonal und Lehrmaterial ist aber noch ein Problem. Deshalb startet das jetzt auch erst einmal nur an vier Schulen. Zum Vergleich: In Schleswig-Holstein beginnt jetzt ein ähnliches Projekt an 27 Schulen. In Hamburg gibt es so etwas schon seit vier Jahren. Und das Interesse der Menschen aus anderen Kulturkreisen an Plattdeutsch ist dort übrigens genauso groß wie das der Deutschen.Interview: JAN ZIER

15 Uhr, Haus der Bürgerschaft, Raum 2