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Archiv-Artikel

Bürger gegen Alte

Konflikt der Generationen: Eine kleine Siedlung bei Lüneburg wehrt sich gegen ein Wohnprojekt für Senioren. Es sei „sozial unverträglich“ und mindere den Wert der Nachbargrundstücke

von KAI SCHÖNEBERG

„Ich lasse mir meinen Lebensabend von denen nicht versauen“, sagt Werner Apel und meint damit, dass die Sache mit dem Altenwohnprojekt für ihn „nicht in Frage“ kommt. „Wie ein Donner hat das eingeschlagen“, erzählt Apel über die Faltblätter, die im vergangenen Jahr im kleinen Süderfeld, fünf Kilometer vor den Toren Lüneburgs, verteilt wurden. Durch sie wurde bekannt, dass hier ein Wohnprojekt für die „50 Plus-Generation“ hochgezogen werden soll. Der Name der Siedlung mit bis zu 30 Wohneinheiten auf 8.000 Quadratmetern: „Gute Nachbarschaft“.

Davon kann keine Rede mehr sein. In einer Bürgerinitiative haben sich 85 – also fast alle – Süderfelder zusammengetan, um das Millionen-Projekt zu verhindern. Die Altensiedlung mindere nicht nur den Wert ihrer Grundstücke, sie sei auch „sozial unverträglich“, schrieben die Bürger an den Bauausschuss des Rats. Süderfeld dürfe kein „Versuchsbaugebiet“ für Senioren-Wohnanlagen sein, heißt es in dem Brief. Ein entsprechendes Projekt, das vor Jahren gescheitert sei, habe bereits „lange Zeit als ‚Schandfleck‘ unseres Ortes“ gegolten.

Ulrich Thomsen findet das alles „schon ein bisschen heftig“. Diese Form des Alten-Mobbings sei „in der ganzen Bundesrepublik“ einmalig, meint der Vorsitzende des Lüneburger Vereins „Mehr Leben“, der die Planungen begleitet. Er habe auch noch nie gehört, dass Senioren-WGs in der Nachbarschaft die Immobilienpreise gedrückt hätten. Thomsens Plan: Auf der einstigen Süderfelder Pferdewiese sollen Wohngemeinschaften mit Menschen über 50 in schmucke Eingeschosser ziehen, um ihren Lebensabend gemeinsam zu gestalten. Ein Vorteil dieser Alten-Kommunen: Die Senioren sichern sich gegenseitig zu, sich bei Krankheit zu helfen.

Apel, selbst 69 Jahre alt und pensioniert, wehrt sich gegen den Vorwurf, die Bürgerinitiative sei seniorenfeindlich: „Wenn die 50 sind, haben die doch noch 17 Jahre Arbeit vor sich“, sagt er vielmehr. „Was das hier für einen Verkehr gibt!“ Die geplante Bebauung sei viel zu eng für das beschauliche Süderfeld. Außerdem gebe es hier ja bereits zwei Altenheime: „Wir sind“, sagt Apel, „sowieso gut ausgestattet.“

Von einer „Diskriminierung erster Güte“, spricht indes der Lüneburger Landtagsabgeordnete Andreas Meihsies (Grüne). „Irgendwann drängen wir Kinder aus Wohngebieten, weil sie zu viel Krach machen“, empört sich auch Simon Kopelke, Sprecher der SPD-Landtagsfraktion. „Die haben nicht mehr alle Latten im Zaun“, sagt Meihsies über die Initiativler.

Dass auf der Pferdewiese gebaut wird, steht für Bürgermeister Heinz Fricke indes außer Frage. Die Gemeinde habe das Grundstück eigens als Bauland erworben. „Letztlich muss der Rat entscheiden, ob die Wohnanlage oder Einfamilienhäuser entstehen“, sagt Fricke. Bis Pfingsten solle entschieden werden. „Wir werden“, droht Werner Apel, „uns wehren.“