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Archiv-Artikel

Unser Geschäft ist guter Unterricht

„Schule machen, das heißt für uns: Es reicht nicht, den Kindern Wissen in den Kopf zu pflanzen. Wir brauchen eine emotionale Nähe zu ihnen. Leistung, das geht nicht isoliert bei Menschen, die ein großes Bedürfnis an Hilfe ausstrahlen. Wenn ich ihre Persönlichkeit nicht so annehme, wie sie ist, dann habe ich keine Chance bei diesen Schülern.

Deswegen hat bei uns der Konflikt Vorrang. Das bedeutet: Wenn ein Problem dem Lernen im Wege steht, gehen wir das sofort an. Dafür haben wir viele Rituale: Ich kann das Problem in der Klasse thematisieren. Ich kann aber ebenso gut einen Lehrer von nebenan bitten, auf die Klasse Acht zu geben – bei uns stehen die Türen offen. Wenn’s schlimm kommt, müssen die Streitschlichter ran oder der Sozialarbeiter.

Am besten lassen wir es gar nicht zu Konflikten kommen. Deswegen gibt es bei uns viele Momente der Persönlichkeitsbildung und der Selbststärkung. Da ist ganz viel Sport dabei, aber auch Musik, Tanzunterricht oder die Möglichkeit für die älteren Schüler, als Lernhelfer für die Kleinen aufzutreten. Das ist auch Leistung für uns.

Leistung zu sehen, ist uns wichtig. Wir haben uns lange ein soziales Image gegeben. Aber das reicht nicht. Das Geschäft von Schule ist guter Unterricht.

Mein größter Wunsch wäre, dass wir in Deutschland die gemeinsame Schule von der ersten bis zur neunten oder zehnten Klasse zustande kriegen. Das ist der richtige Weg, um die Schulghettos zu verhindern. Aber wir dürfen nie vergessen: Die Schüler, die wir heute in den Hauptschulen konzentrieren, brauchen etwas Besonderes – auch in der ‚Schule für alle‘.

Wir werden diesen Schritt übrigens nur schaffen, wenn das Gymnasium sich ändert. Solange es das Gymnasium als eine Schule gibt, die ihre Kinder einfach nach unten durchreicht, wenn sie nicht mitkommen, haben wir ein Problem.“ Alle Protokolle: CIF

Manfred Paul leitet die Gemeinsame Hauptschule Aretzstraße, Aachen. 410 Schüler, 80 Prozent mit Migrationshintergrund