: Hartz IV reicht nicht für Kühlschränke
RECHT Das Bundesverfassungsgericht fordert dazu auf, bei den Sozialleistungen nachzubessern
KARLSRUHE taz | Die im Jahr 2010 neu berechneten Hartz-IV-Sätze entsprechen „derzeit noch“ den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Das entschied jetzt der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in einem am Dienstag bekanntgemachten Beschluss. Allerdings werden Verbesserungen bei der Finanzierung von größeren Haushaltsgeräten gefordert.
Im Februar 2010 hatte Karlsruhe die bis dahin geltenden Hartz-IV-Sätze beanstandet. Sie seien zwar nicht offensichtlich unterhalb des Existenzminimums. Allerdings forderte das Gericht eine transparente Neuberechnung vor allem der Leistungen für Kinder, die bisher einfach nach einem Prozentsatz der Hartz-IV-Sätze für Erwachsene geschätzt wurden.
Ende 2010 überarbeitete der Bundestag die Berechnungsmethode. Nach einem Statistikmodell gelten nun die Ausgaben der einkommensschwächsten 15 Prozent der Haushalte in Deutschland als Maßstab. Hiervon werden aber Ausgaben für „nicht existenzsichernde“ Produkte und Dienstleistungen abgezogen, etwa für chemische Reinigung, Alkohol und Tabak. Von 359 Euro erhöhten sich die Leistungen für allein lebende Erwachsene so lediglich um 5 Euro auf 364 Euro pro Monat. Das war nicht mehr als der Inflationsausgleich. Sozialverbände und Gewerkschaften übten scharfe Kritik. Inzwischen beträgt der Satz inflationsbedingt 391 Euro, Anfang nächsten Jahres soll er auf 399 Euro steigen.
Nun hat sich das Verfassungsgericht erneut mit den Hartz-IV-Sätzen beschäftigt. Eine Familie aus Niedersachsen hatte Verfassungsbeschwerde eingelegt. Außerdem hat eine Kammer des Sozialgerichts Berlin die Verfassungsrichter eingeschaltet. Die Verfassungsrichter erklärten – wie schon 2010 – dass das Grundgesetz keine exakte Höhe der Hartz-IV-Sätze vorgebe. Der Gesetzgeber müsse aber „tragfähig“ begründen, wie er das Existenzminimum berechnet.
Die gewählte Berechnungsmethode wurde von den Verfassungsrichtern grundsätzlich akzeptiert. Allerdings müsse der Gesetzgeber entweder sicherstellen, dass die Leistung hoch genug ist, um Geld für einmalige Ausgaben wie Kühlschränke und Waschmaschinen ansparen zu können. Oder er müsse für solche Fälle wieder direkte Zuschüsse gewähren. Offensichtlich halten die Richter die Hartz-IV-Sätze derzeit für zu niedrig, um damit größere Haushaltsgeräte zu finanzieren.
Die Sozialgerichte werden aufgefordert, „die bestehenden Regelungen über einmalige Zuschüsse neben dem Regelbedarf verfassungskonform auszulegen“. Wenn dies eine solche Auslegung nicht genüge, müsse der Bundestag neue Zuschussregelungen für Hartz-IV-Haushalte schaffen.
Auch beim Hartz-IV-Regelsatz fordern die Verfassungsrichter eine Nachbesserung. Weil der Strompreis in letzter Zeit stark gestiegen ist, müsse diese Steigerung auch zeitnah berücksichtigt werden.
Die Neuberechnung des Bedarfs für Kinder haben sie dagegen akzeptiert. Die Bildungs- und Sozialkosten von Kindern dürfen auch als Gutscheine, wie beim Schulbasispaket und beim Bildungspaket, vergeben werden. Allerdings brauche es einen „Anspruch“ auf die Erstattung für Fahrkosten zum Musikunterricht und zum Sportverein. Az.: 1 Bvl 10/12 u. a. CHRISTIAN RATH